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spielt die Partie Frankreichs! Staunton, nicht weniger berühmt, zeigt eine weniger sichere Haltung; da ist eine Mutlosigkeit in seiner Haltung, und man meint, er sehe das schicksalgegebene Ende seines Landes voraus: Schach und Matt."

Darüber hinaus führt der Holzstecher der L’Illustration wiederum eine Person (sich selbst?) neu in das Bild ein. Die Person schaut ziemlich desinteressiert und ostentativ vom eigentlichen Ort des Geschehens, dem Schachbrett, weg und erhält reichlich Licht. Es ist uns nicht bekannt, wer diesen Holzstich für die Illustrierte Zeitung erstellt hat.

Doch zurück zur Lithografie, die Laemlein für Saint-Amant fertigte. Saint-Amant verkaufte die 74,8 x 50 cm messende Lithografie mit der Unterschrift „Le cercle des échecs, à Paris//Pendant le grand défi aux Echecs entre MM. St. Amant et Staunton, les champions de France et d’Angleterre. C’est la séance du 16 Décembre 1843 (XIXe partie de cette memorable lutte) qui a été reproduite ici avec une fidélité scrupuleuse" für 25 Francs im Büro der von ihm redigierten Zeitung Le Palamède. Am Bildunterrand war dabei vermerkt: A. Laemlein del., Imprimé par Lemercier à Paris, à la Dir.n du Palamède.

Daraufhin strengte Marlet jedoch eine Art Copyright-Prozess an und klagte auf Unterlassung des Lithografieverkaufes, da sein Bild unberechtigt vervielfältigt worden und sein Name auf dem Bild nicht vermerkt worden sei. Nach einer Prozeßdauer von fast zwei Jahren erhielt Saint-Amant am 31. Dezember 1845 zwar in erster Instanz von den Richtern der 4. Kammer des Pariser Tribunalgerichtes das Recht auf Reproduktion des Bildes zuerkannt, mußte jedoch für die an der Lithografie fehlende Namensangabe Marlets 200 Francs Strafe an diesen zahlen. Die Folge war, daß Saint-Amant eine zweite Auflage, diesmal aber in London und mit der Unterschrift: „The Great Chess Match, Between MM. Staunton (England) and Saint-Amant (France)//Won by the English Gentleman, in the Paris Chess Club, in December 1843" verkaufen ließ. Am Bildunterrand hieß es noch immer: A. Laemlein del., Imprimé par Lemercier à Paris dann jedoch: 2 Tavistock Row Covent Garden, London. Dabei verwendete er, wie wir meinen sicher annehmen zu können, jedoch noch immer den gleichen Stein, denn sämtliche Abbildungen, die von Laemleins Gravur bekannt geworden sind, weisen in der rechten unteren Ecke des Bildes einen halbkreisförmigen, das Bild verdunkelnden Fleck auf. Das Bild sei nunmehr in zweiter Auflage für 15 statt 25 Francs zu haben, „damit", so teilte Saint-Amant mit, „alle Klassen von Amateuren des Schachs das Bild erwerben könnten". Insgesamt existierten also drei bzw. vier unterschiedliche Abbildungen bzw. Versionen des Ereignisses von Paris 1843: das Ölgemälde von Marlet, die Lithografie von Laemlein mit jeweils einem französischen bzw. englischen Untertitel und der Holzstich der Illustration bzw. der Illustrierten Zeitung.

Wir könnten damit die Schilderung der denkwürdigen Ereignisse um das erste Medienereignis der modernen Schachgeschichte eigentlich abschließen, wenn nicht noch ein Geheimnis zu lüften wäre. Was geschah mit dem Gemälde von Marlet? Seit dem Kauf des Gemäldes durch Madame Saint-Amant im März 1843 waren keine Nachrichten mehr bezüglich des in Öl gehaltenen Gemäldes von Marlet bekannt geworden und niemand hatte das Gemälde von Marlet jemals wieder gesehen. Saint-Amant hatte sich im Jahre 1861 zusammen mit seiner Frau an die Sonnenküste Algeriens nahe von Algier begeben. Dort starb er am 29. Oktober 1871 in seinem Schloß Hydra an den Folgen eines Sturzes aus seiner Kutsche im Alter von 72 Jahren. Hat Madame Saint-Amant das Bild nach seinem Tod zurück nach Frankreich gebracht oder war es erst garnicht mit nach Algerien genommen worden, sondern war in einem der Schlösser derer von und zu Saint-Amant geblieben?

Eine letzte Spur des Bildes läßt sich jedoch noch einmal in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts finden. Der Journalist und Schachliebhaber Gaston Legrain schildert in seinen Cahiers de l’Echiquier Français wie er zufällig im Jahre 1932 das bis dahin verschollene Ölgemälde von Marlet im Schaufenster eines Antiquares in Paris entdeckte. Leider versäumte Legrain die Gelegenheit, das Bild sofort sicherzustellen und in seinen Besitz zu bringen. Als er zurückkehrte, war das Bild bereits verkauft, ohne daß er jemals einen Hinweis auf das weitere Schicksal des Bildes hat erhalten können. Legrain starb im Jahre 1951.

Auch wir wissen nicht, wo sich das Gemälde von Marlet heute befindet. Vielleicht ist es noch immer im Besitz eines diskreten Pariser Amateurs oder hängt an den steinernen Wänden eines dunklen, verwinkelten Schlosses, wo es an den Kontrakt des Zeichners und die zwei Menschen erinnert, die in den Monaten des zu Ende gehenden Jahres 1843, vor nunmehr fast 155 Jahren, im Café de la Régence in Paris angetreten waren, ein einfaches Spiel zu spielen und dabei nichts oder als Kinder ihrer Zeit nur wenig dafür konnten, daß ein Teil ihrer Mitmenschen dieses einfache Spiel zum Kampfe zweier Nationen hochstilisierte.

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© Harald E. Balló