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139. Tarraschs Grab

Herbert Graf, Augsburg, verdanken wir den Hinweis auf das Photo von Tarraschs Grab. Carsten Köhler, Maintal, stellt uns freundlicherweise die im Bayernteil der Rochade Europa (9/96) erstmals gegebene Abbildung von Tarraschs Grab, Münchner Nordfriedhof, Parz. Nr. 128 zur Verfügung (siehe SZ 95).

Photo: J. Steinbeck, München

140. Samuel Reshevsky

Den Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 73 (1920) entnehmen wir den folgenden Beitrag von Dr. Tarrasch, der uns freundlicherweise von Hans-Wilhelm Fink zur Kenntnis gebracht wurde.

„Das achtjährige Schachwunderkind S. Reszewski erregt gegenwärtig in Berlin großes Aufsehen, wie wir bereits an anderer Stelle mitgeteilt haben. An sich betrachtet, also ohne Berücksichtigung seines Alters, sind seine Leistungen keineswegs hervorragend, wie aus der folgenden Partie hervorgeht, die er ohne Ansicht von Brett und Figuren gegen den bekannten Meister C. v. Bardeleben gespielt hat:










 

Reschewsky, S - von Bardeleben, C [A54]
Blindseance Berlin 1920, Muenchner Neueste Nachrichten

1.d4 R. spielt blind
1...d6 2.c4 Sd7 3.Sc3 e5 4.Sf3 Sgf6 5.e3 b6 6.d5
bis hierher alles konventionell, dieser Zug aber ist unmotoviert und schlecht, da er dem feindlichen Springer das Feld c5 freigibt
6...Le7 7.Ld3 Sc5 8.Lc2 Lg4
besser a5
9.b4 Scd7 10.h3 Lh5 11.g4 Lg6 12.e4 a5
Weiß hätte gerüstet sein müssen, diesen Zug mit a3 zu beantworten, damit der Springer nicht wieder nach c5 gehen kann
13.b5 Sc5 14.De2 h6 15.La3 Sfd7 16.h4 h5 17.g5 Dc8 18.Tb1
was in aller Welt soll der Turm hier?
18...Dd8 19.Tg1 Dc8 20.Th1 Dd8

Nach diesen mysteriösen Zügen wurde die Partie als remis abgebrochen, obwohl sie eigentlich erst recht anfangen müßte, da noch alle Steine auf dem Brett sind. Diese Talentprobe ist also nicht überwältigend; ein ideenloses Hin- und Herziehen.

Eine wirkliche Talentprobe dagegen hat der Kleine in einer Partie gegen einen der besten Berliner Amateure, Herrn Sämisch, gegeben. 











 

Reschewsky, S - Saemisch, F [E50]
Berlin 1920, Neueste Muenchner Nachrichten

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Sf3 0-0 5.e3 c5 6.Ld3 b6 7.De2 Lb7 8.0-0 d6 9.Td1? schematisch gespielt; Sd1 nebst a3 hätte den Läufer b4 in Gefahr gebracht
9...Lxc3 10.bxc3 Se4 11.Lxe4 Lxe4 12.Se1
besser Sd2
12...De7 13.f3 Lb7 14.e4 Sc6 15.Sc2
das ganze ganze Spiel krankt an der schlechten Springerstellung
15...Sa5 16.d5 exd5 17.cxd5 f5!
Schwarz hat den Gegner total überspielt
18.Te1 Tae8 19.c4? La6 20.Sa3 fxe4 21.fxe4 Sxc4!! 22.Sxc4 Df6
droht Dd4+
23.Le3 Txe4 24.Tac1 Tfe8 25.Dd3 De7
entscheidend war Dh4. Weiß war offenbar in sehr übler Lage; es droht Lxc4 nebst Txe3 und auf Lf2 oder Ld2 gewinnt Lxc4. Da brachte der Kleine mit
26.Dxe4!
ein Damenopfer, das jedem Meister Ehre gemacht hätte. Nach
26...Dxe4 27.Sxd6 Dxe3+
[nach 27...Dg6 28.Sxe8 behält Weiß die Türme für die Dame und hat einen gefährlichen Freibauern]
28.Txe3 Txe3
hat Weiß das Treffen einigermaßen wiederhergestellt, allerdings ist das Endspiel für ihn verloren, die Partie wurde jedoch nach weiteren 10 Zügen
29.Td1 Te5 30.a4 Kf8 31.Sb5 Lxb5 32.axb5 Ke7 33.Ta1 Txd5 34.Txa7+ Td7 35.Ta6 Tb7 36.Kf2 Kd6 37.Ke3 Kd5 38.Kd3 1/2-1/2


 nach vierstündigem Spiel in für Schwarz gewonnener Stellung als remis abgebrochen.

Die ganze Partie hat der Kleine nicht gut gespielt, aber das Damenopfer ist hübsch und überraschend und verrät Talent. - Auch der Versuch des Wunderkindes, sich im Massenspiel gegen 20 oder 22 Gegner zu produzieren, muß als gescheitert betrachtet werden. Nach fünfstündigem Spiel waren nur sechs Partien beendet, die übrigen Partien mußten abgeschätzt werden. Damit war die Vorstellung mißlungen, obwohl der Kleine die sechs beendeten Partien gewonnen hat und in der Mehrzahl der anderen besser stand. Beim Simultanspiel kommt es eben darauf an, rasch zu spielen. Eine Vorstellung von 20 Partien muß in 3 - 4 Stunden beendet sein.

An sich also sind die Leistungen des achtjährigen Wunderkindes nicht hervorragend. Vor vier Jahren übrigens, bei seinem ersten Auftreten in Warschau, zählte es sechs Jahre; Wunderkinder altern langsam. Bleibt also nur die Jugend zu bewundern. Ein kleines Kind spielt Schach; es stümpert nicht, sondern spielt wirklich Schach wie ein Erwachsener und mit Erwachsenen; da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich! Nach meiner Ansicht ist es nicht schwer, ein gut begabtes Kind im Alter von 5-6 Jahren, wenn man es auf alles andere verzichten läßt, im Schach so auszubilden, daß es dieses schwierige Spiel versteht und mittelmäßig spielen kann. Und nun ist der Kleine offenbar in den letzten Jahren äußerst fleißig trainiert worden, was man an seinen Eröffnungen merkt. Bei der ganzen Sache finde ich nichts Wunderbares. Es hat einmal ein Schachwunderkind gegeben, das im Alter von 12 Jahren schon meisterhaft spielte; das war der berühmte Paul Morphy, der später alles niederwarf, was sich ihm entgegenstellte. Von ihm will ich in der nächsten Nummer eine Partie bringen, die er im Alter von 12 Jahren blindlings spielte. Welch eine Fülle von Ideen, welche Genialität der Spielführung schon damals! Davon ist bei dem neuen Wunderkind vorläufig nicht viel zu merken. Aber vielleicht entwickelt es sich noch! Einseitiges Training vermag Wunder zu wirken."

Tarrasch beleuchtet das „Wunderkind"-Phänomen in pointierter und amüsanter Weise. Der Text könnte auf so manches sogenannte Wunderkind unserer Tage zutreffen. Bekanntlich hat spätestens Laszlo Polgar, Budapest, den Nachweis erbracht, daß sehr gute und gute schachliche Leistungen mit sehr früher und kontinuierlicher Trainingsarbeit erzielt werden können.

141. Normando José Ivaldi

Erst ganz kürzlich haben wir von Prof. Zoilo Caputto, Argentinien, erfahren, daß Normando José Ivaldi, Argentinien, (siehe Zettel 86) am 25.2.1996 verstorben ist.

142. Philidor Katalog Dreux

Von dem in Zettel 72 berichteten und wegen der geringen Auflage seinerzeit rasch vergriffenen Katalog der Ausstellung zu Dreux Philidor et son Temps hat die Stadt Dreux eine sehr gut gemachte Kopie (zweiseitig) erstellt. Wie uns Guy Tinlot, Adjoint au Maire, 1996 mitteilte, waren seinerzeit noch etwa 15 Exemplare des Kataloges vorrätig und konnten kostenfrei abgegeben werden. Interessenten wenden sich bitte an Ville de Dreux, Boite Postale 129, F - 28103 Dreux Cedex.

143. Die Fünf Frankfurter

Sjoerd C. van Ketel, Leiden, fragt in einer rezenten Ausgabe von Philemat, dem Vereinsorgan der Amicale Philatelique Themechecs, nach den Fünf Frankfurtern. In der Nr. 43 des gleichen Periodikums wird mitgeteilt, es handele sich um die Brüder Rothschild. Kann jemand diese Aussage bestätigen?

144. Tübinger Beiträge

Dr. Hans Ellinger, Tübingen, veröffentlicht in Band drei seiner Reihe Tübinger Beiträge zum Thema Schach den von Ralf Woelk im Rahmen einer Diplomarbeit an der Gesamthochschule in Duisburg im Jahre 1993 verfaßten Text: Schach unterm Hakenkreuz. Politische Einflüsse auf das Schachspiel im Dritten Reich. Das Büchlein hat 129 + 4 Seiten und ist für DM 19.80 im Buchhandel oder direkt beim Verlag (Promos Verlag, Postfach 7265, 72785 Pfullingen) zu beziehen. Jedem, der die Arbeit von Woelk noch nicht besitzt (Matthias Burkhalter, Schindelacher, CH - Rümligen vertreibt eine nicht gebundene, kopierte Version der Originalarbeit), sei der Bezug dringend angeraten. Woelks Arbeit wurde von den beiden begutachtenden Professoren jeweils mit der Note „1" ausgezeichnet, die beide Professoren in ihrer 40jährigen Tätigkeit bis dahin noch nicht vergeben hatten.

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

 

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