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148. Reschewsky vs Charlie Chaplin

Andreas Neugebauer, Hamburg, berichtet, daß er aus dem Internet eine Partiesammlung von Samuel Reshevsky (siehe auch Zettel 140) geladen habe. Dabei fiel ihm als Schach- und Charlie Chaplin-Freund sogleich die nachfolgende Partie auf:










 

Chaplin, C - Reschewsky, S [C43]
Unbekannt, 1923

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.d4 exd4 4.e5 Se4 5.De2 Sc5 6.Sxd4 Sc6 7.Le3 Sxd4 8.Lxd4 Se6 9.Lc3 Le7 10.Sd2 0-0 11.Se4 d5 12.0-0-0 Ld7 13.Sg3 c5 14.Ld2 b5 15.Sf5 d4 16.h4 Sc7 17.Sxe7+ Dxe7 18.Lg5 De6 19.Kb1 Sd5 20.g3? Sb4 21.b3 Da6 22.a4 Da5 23.Kb2 bxa4 24.Ta1 Tab8 25.Kc1 a3 26.Ld2 Le6 27.Lxb4 cxb4 28.Da6 Dc5 29.Lc4 Tbc8 0-1

Charlie Chaplin schreibt in seiner Autobiographie (Die Geschichte meines Lebens, Fischer Taschenbuch 1836, S. 217 ff.): „Während >The Kid< geschnitten wurde, besuchte der siebenjährige Samuel Reschewsky, der Kinderschachweltmeister, das Atelier. Er sollte im Athletic Club seine Künste zeigen und eine Simultanpartie gegen zwanzig Erwachsene spielen, darunter Dr. Griffiths, den Schachmeister von Kalifornien. Er hatte ein dünnes, blasses, eindringliches kleines Gesicht und starrte die Menschen, denen er begegnete, aus großen Augen streitsüchtig an. Man hatte mir schon gesagt, daß er launisch sei und kaum jemandem die Hand reiche.

Nachdem sein Manager uns bekannt gemacht und einige Worte gesprochen hatte, starrte der Junge mich schweigend an. Ich fuhr fort zu schneiden und Filmstreifen zu betrachten. Dann wandte ich mich zu ihm. „Magst du Pfirsiche?" „Ja", erwiderte er. „Wir haben einen Pfirsichbaum im Garten; du kannst hinaufklettern und dir welche holen und mir gleich einen mitbringen." Er strahlte. „Ah, gut! Wo ist der Baum?" „Carl wird ihn dir zeigen", sagte ich und deutete dabei auf meinen Publicitymann. Eine Viertelstunde später kam er hochbeglückt mit etlichen Pfirsichen zurück. So begann unsere Freundschaft.

„Können Sie Schach spielen?", fragte er. Ich mußte zugeben, daß ich es nicht konnte. „Ich zeige es Ihnen, kommen Sie doch heute abend und sehen Sie mir zu. Ich werde gleichzeitig mit zwanzig Männern spielen", sagte er prahlerisch. Ich versprach es und sagte, ich würde ihn hinterher zum Essen ausführen." ... . „Man mußte nicht unbedingt Schachspieler sein, um das Drama dieses Abends wahrzunehmen: Zwanzig Männer mittleren Alters über ihrem Schachbrett brüten zu sehen, in Ratlosigkeit gestürzt von einem Siebenjährigen, der noch dazu jünger aussah als er war, und ihn zu beobachten, wie er an dem U-förmig angeordneten Tisch von einem Brett zum anderen ging, war allein schon dramatisch genug. Die dreihundert oder mehr Zuschauer, die schweigend auf den Bankreihen an den Längswänden der Halle saßen und ein Kind beobachteten, das seine Geisteskraft mit der erfahrener Männer maß, wirkten surrealistisch. Einige von ihnen schauten herablassend lächelnd zu. Der Junge war verblüffend, doch beunruhigte er mich, denn als ich das konzentrierte kleine Gesicht betrachtete, einmal stark gerötet und dann wieder kreidebleich, wußte ich, daß der Junge mit seiner Gesundheit bezahlte ... ."
Entgegen der Befürchtung Chaplins hat die sehr frühe und intensive Beschäftigung mit dem Schachspiel Reschewskys Gesundheit wohl nicht sehr geschadet, denn Reschewsky verstarb 1992 im biblischen Alter von achtzig Jahren (der exakte Geburtstag von R. ist nicht ganz klar).

Brian Harley berichtet in seinem Büchlein Chess and its Stars, Whitehead and Miller, Leeds 1936 (S. 67-74) über den jungen Reschewsky und bringt dabei auch ein Photo, das Chaplin und Reschewsky am Brett zeigt. Dabei hat Chaplin jedoch Schwarz. Harley erklärt auch, weshalb Reschewsky zur Begrüßung selten die Hand gab. Wir bringen hier nur einen kleinen Auszug, den wir sinngemäß aus dem Englischen übersetzen, wobei die Ähnlichkeit mit der Schilderung Chaplins unverkennbar ist: „Nach den Einführungen setzte sich Samuel ... und beobachtete die Gesellschaft mit gelangweilter Miene. Samuel kann nur zwei oder drei Worte Englisch und es war hier, daß der Übersetzer seine Fähigkeiten zeigte. Zuallererst lernt man, daß der Junge ein sehr orthodoxer Jude aus der Hassidim Sekte ist. Es ist ihm verboten, Frauen seiner eigenen Glaubensrichtung die Hand zu geben, aber Samuel will nichts riskieren und dehnt seine Ablehnung auf hübsche Nichtjuden aus. Dies hatte in Paris einiges Ärgernis verursacht .... ".

Es fällt uns auf, daß von den Zeitgenossen der 20er Jahre lediglich Tarrasch (siehe Zettel 140) kritisch gegenüber den schachlichen Leistungen des sogenannten Wunderkindes war. Insbesondere die angloamerikanische, aber auch die französische Presse schwelgte im Überschwang ob der Leistungen des Jungen aus Polen.

Zurück zur angeblichen Partie Chaplin-Reschewsky. Wie ist es möglich, fragt Andreas Neugebauer, daß Chaplin, der 1920, wie er in seiner Autobiografie schreibt, noch kein Schach spielen konnte, nur drei Jahre später eine Schach-Partie abliefern konnte, die gute Kenntnisse der Eröffnungstheorie beweist? Neugebauer zweifelt deshalb die Echtheit der Partie an. Kann jemand nähere Angaben machen?

149. Der Mann, der das Schweigen brach

In Zettel 131 hatten wir über den Versuch von Eduard Schulte, dem Mann, der das Schweigen brach, berichtet, seine bereits im Jahre 1942 gewonnenen Erkenntnisse über die geplante Vernichtung der europäischen Juden an die Alliierten weiterzuleiten. Prof. Dr. H. Koblet und Dr. H. Schudel, beide Schweiz, übermitteln den Bericht der Schweizer Schachzeitung vom September 1942. Dr. Hans Schudel ist 81 Jahre alt und dürfte zu den wenigen noch lebenden Zeitgenossen gehören, die von dem Turnier aus eigener Erfahrung berichten können. Sieger des Hauptturnier I des 43. Schweizerischen Schachturniers in Lausanne vom 28. Juli bis 2. August 1942 wurde der damals 27jährige Hans Schudel aus Schaffhausen. Das Turnier fand erstmals seit Kriegsbeginn in einem größeren Rahmen statt. Es blieb Schudel in lieber Erinnerung, nicht nur, weil er mit einem ganzen Punkt Vorsprung gewonnen hatte, sondern weil er eine große Zahl von lieben Mitspielern kennengelernt hatte, worunter auch Dr. Benjamin Sagalowitz war. Sie spielten zwar nicht gegeneinander, da das Turnier nach dem sogenannten Schweizer System abgewickelt wurde, doch fand er nach den Partien häufig Gelegenheit, im Gespräch mit „Sagal" dessen große Beschlagenheit und kernigen Witz zu bewundern. Schudel berichtet weiter, daß er und die übrigen Turnierteilnehmer nicht über die Fühlungnahme von Dr. Sagalowitz mit Eduard Schulte und Koppelmann in Zürich orientiert waren. Zwar hörte man, daß Sagalowitz wegen einer dringenden Dislokation nach Zürich eine Turnierpartie hatte verschieben müssen, doch sickerte über den wahren Grund nichts durch, außer einigen vagen Gerüchten, wie sie in den damaligen Kriegstagen üblich waren. Das relativ unbefriedigende Turnierergebnis von Sagalowitz (Sagalowitz kam im Hauptturnier I nur auf den geteilten 19.-21. Rang von 26) wurde aber allgemein als Indiz gewertet, daß für ihn in Zürich eine gewichtige Angelegenheit in Frage stand.

150. Bibliografische Notizen

Wir möchten zum Zettel 147 über die Editio princeps des Damiano nachtragen, daß das siebte noch existierende Exemplar des Buches in der Königlichen Bibliothek von Den Haag zu finden ist. Darüber hinaus konnte Manfred Zollinger in seiner Bibliografie (Bibliografie der Spielbücher, Erster Band 1473 - 1700, Anton Hiersemann Verlag, Stuttgart 1996) noch einen weiteren, bislang nicht beachteten Druck des Damiano, den er etwa auf das Jahr 1526 datiert, in einer Bibliothek in Florenz nachweisen.

151. Die Herbstauktionen 1996

Vergleichsweise reichhaltig, wenngleich gelegentlich gut versteckt, war wieder das Schachbücherangebot auf den Herbstauktionen. Bei Hartung und Hartung, München, erhielt ein Bieter für 440.- DM (Schätzpreis 400.- DM) einen Joh. Chr. Wiegleb, Joh. Nik. Martius Unterricht in der natürlichen Magie ..., Berlin 1779 zugeschlagen, während ein Privatmann für ein Exemplar von Les Francais peints par eux-memes, Paris 1840-42, in dem auch ein Schach-Stich samt tragender Geschichte über die Schachspieler aus der Feder von Mery vorkommt, 750.- DM (500.-) anlegen mußte. Ein Exemplar von Antonius van der Lindes Monumentalwerk Geschichte und Litteratur des Schachspiels, Berlin 1874 (500.-), fand überraschend keinen Käufer und ging für 250.- DM ebenso in den Rückkauf wie Tégners Frithiofsage

Abb. aus Minding, Berlin 1842

Frithiof saß mit Björn, dem Schlauen,
An dem Schachbrett, schön zu schauen,
Wechselnd in der Felder Reihen
Sah man Silber dort und Gold.

Da trat Hilding ein: "Willkommen!
Auf der Hochbank Platz genommen!
Trinke, und erlaub' uns Zweien,
Daß wir enden, Vater hold!"

Hilding sprach: "Von Bele's Söhnen
Komm' ich her, Dich zu versöhnen,
Böse Zeit steht auf der Lauer,
und es hofft das Land auf Dich."

Frithiof sprach: "Du magst Dich wahren,
Björn, dem König drohn Gefahren.
Ihn erretten kann ein bauer,
Und den gibt man sicherlich."

"Trotze nicht dem Fürstenpaare,
Kräftig wächst die Brut der Aare;
Ob auch schwach für Ring zum Trutze,
Sind sie stark für Frithiof's Kraft."

"Björn, der Thurm steht Dir zu Sinnen,
Doch Du wirst ihn nicht gewinnen;
In der schildburg festem Schutze
Wird er schwerlich mir entrafft."

"Weinend zählt in Balders Hage
Ingeborg die trüben Tage.
Lockt die Weinerin mit blauen
Augen Dich zum Kampfe nicht?

"Björn, umsonst jagst Du die Dame.
Theuer war mir stets ihr Name.
Sie, die liebste mir der FRauen,
Rett' ich, ob auch Alles bricht!"

Oettingers sehr seltene Schachbibliografie Bibliotheca shahiludii. Leipzig 1844, ging für angemessene 320.- DM (300.-) an einen Privatsammmler in Frankreich, währenddessen der ebenfalls sehr seltene Elias Stein, Nouvel Essai sur le ieu des échecs ... , Den Haag 1789, in Halbleder der Zeit gebunden, für gerade einmal schnäppchenmäßige 150.- DM (300.-) einen glücklichen Käufer fand.

Bei Zisska und Kistner, München, gelangte ein schreibmaschinengeschriebener Brief mit eigenhändiger Unterschrift „Stefan" von Stefan Zweig (1881-1942) zur Versteigerung. In dem mit „Petropolis/Brasilien 25.12.1941" datierten Brief erwähnt Zweig auch sein bekanntestes Werk, die Schachnovelle: „Immerhin ist die Selbstbiographie [‘Die Welt von Gestern’] fertig und ich glaube, ein anständiges Buch, das bewußt darauf verzichtet, sich interessant oder seine Erlebnisse superlativistischer zu machen, als sie waren ... . Weiters ist geschrieben eine kleine Schachnovelle .... ." Der Brief ging für kräftige 4000.- DM (2500.-) an einen Schachsammler im Süddeutschen. Die Erstausgabe eines französischen Greco, Le ieu des eschets, Paris 1669, im Frühjahr bei Reiss und Sohn, Königstein, noch bei einem vom Einlieferer gesetzten Limit von 1400.- DM in den Rückkauf gegangen, erzielte adäquate 600.- DM (600.-), währenddessen eine Erstausgabe von Stefan Zweigs Schachnovelle, Buenos Aires 1942, für kräftige 2200.- DM (1000.-) einen Käufer fand. Vergleichsweise billig, nämlich für 130.- DM (200.-), ging Dufresne, Theoretisch-praktisches Handbuch des Schachspiels, Berlin 1863 an einen interessierten Käufer.

Das Auktionshaus Brandes in Braunschweig mußte erkennen, daß die Preise nicht so ohne weiteres in den Himmel wachsen; anscheinend vom schönen Erfolg der vorhergehenden Auktion (siehe Zettel 108) geblendet, bei der das Buch von Hindenburg über den Schachautomaten des Baron von Kempelen stolze 4430.- DM erzielt hatte, wurden die Schätzpreise mit 2000.- DM für eine erste Auflage des Bilguerschen Handbuches von 1843 und 1200.- DM für eine zweite Auflage des bei König in Straßburg 1764 erschienenen Philidor, Die Kunst, im Schachspiel ein Meister zu werden völlig überhöht und unrealistisch festgesetzt. Dabei waren doch beide Bücher erst im Herbst 1995 bei Hauswedell und Nolte für 900.- DM bzw. bei Zisska und Kistner für 480.- DM weggegangen. Beide Bücher fanden denn auch keinen Käufer.

Reiss und Sohn, Königstein, brachten eins von 240 Exemplaren der Vorzugsausgabe B der Zeichnungen Schach, Düsseldorf 1983, von Alfred Hrdlicka mit einem Schätzpreis von 600.- DM zur Versteigerung. Das Werk wurde für 420.- DM zugeschlagen. Ein wunderschöner Omar Khayyam aus dem Jahre 1913 in Ganzleder mit Goldschnitt ging für 350.- DM ebenso in den Rückkauf wie die Recreations mathematiques et physiques ..., Paris 1694 von Ozanam, die den Rösselsprung bringen (2500.-). Ein unvollständiger Halle, Magie ... , Wien 1787 und 1788-90, fand für 900.- DM (1200.-) einen neuen Besitzer.

Wenner in Osnabrück hatte ein Exemplar des Selenus, Das Schach- oder König-Spiel, Leipzig 1616, im Angebot. Das Buch brachte immerhin noch 850.- DM (900.-), obwohl es nicht vollständig war (vollständige Exemplare werden in der Regel mit Beträgen um 6000.- DM geschätzt). Der den Herzog August darstellende Stich, der oft fehlt, weil als Objekt der Begierde in der Mitte des Buches von Stiche-Sammlern und -Verkäufern häufig herausgetrennt, war jedoch noch vorhanden, sodaß das Buch jetzt sicher „ausgeschlachtet" werden wird und zur Komplettierung anderer unvollständiger Ausgaben herhalten muß.

Johannes Wend, Leipzig, hatte ebenfalls wieder einige Schachbücher im Angebot, wobei insbesondere die sechs Jahrgänge 1924-29 der Arbeiter-Schachzeitung in Org.-Leinenbänden (Zuschlag 290.- DM; Schätzpreis 300.- DM) und ein vom Autor handsigniertes Exemplar von Vielle, Méthode pour apprendre seul la marche des échecs ... , Paris um 1860 (Zuschlag 130.- DM; Schätzpreis 100.- DM) auf eine interessierte Käuferschaft trafen.

Bei Bassenge, Berlin, gelangten ein Exemplar von Chapuis, Les automates dans les oeuvres d’imagination, Neuchatel 1947 für 340.- DM (300.-) und eine Ausgabe von Abenstein, Neuester Spielalmanach für Karten-, Schach-, Brett-, Billard-, Kegel- und Ball-Spieler, Berlin 1820 für ebenfalls 340.- DM (300.-) zur Versteigerung.

Bei Dörling, Hamburg, mußte ein Käufer nur 130.- DM (200.-) für Chapuis, Les automates ... , Neuchatel 1949, investieren, wohingegen ein Nachdruck des Philidor, 3. Auflage, Straßburg 1771, aus dem Jahre 1979 (Osnabrück) an den Einlieferer zurückging.

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

 

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