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23. Lilienthal und der Stalinist

Noch einmal ist unser Lieblingsschachmeister Andor Lilienthal beteiligt.

Es kommt selten in der Schachgeschichte vor, daß regulär ausgekämpfte Meisterschaften von einem der Teilnehmer in ihrem Ergebnis revidiert werden. Ein solches Kunststück brachte der spätere Weltmeister Michail Botwinnik im Jahre 1941 fertig. Im Turnier um die Meisterschaft der Sowjetunion waren im Jahre 1940 der zwischenzeitlich als Sowjetbürger naturalisierte Ungar Andor Lilienthal und Igor Bondarewski mit 13,5 aus 20 Punkten Landesmeister der Sowjetunion geworden.

XII. Meisterschaft der Sowjetunion, Moskau 1940

1. Lilienthal 13,5 Punkte
2. Bondarewski 13,5 Punkte
3. Smyslow 13 Punkte
4. Keres 12 Punkte
5. Boleslawski 11,5 Punkte
6. Botwinnik 11,5 Punkte

und 14 weitere Teilnehmer.

Botwinnik war nur Sechster geworden, wobei er im direkten Vergleich gegen beide Erstplazierte, Lilienthal und Bondarewski, verloren hatte.

 








 

Lilienthal,A - Botvinnik,M [E19]
URS-ch12 Moscow, 1940

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 Lb7 5.Lg2 Le7 6.0-0 0-0 7.Sc3 Se4 8.Dc2 Sxc3 9.Dxc3 d6 10.Dc2 f5 11.Se1 Sc6 12.d5 exd5 13.cxd5 Sb4 14.Dd2 a5 15.a3 Sa6 16.b4 Lf6 17.Lb2 Dd7 18.Lxf6 Txf6 19.Sd3 a4 20.Tac1 Df7 21.Sf4 Lc8 22.Tc3 Ld7 23.Tfc1 h6 24.h4 Ta7 25.h5 Ta8 26.Te3 Kh7 27.Tcc3 Tb8 28.Dd3 Ta8 29.Sg6 Txg6 30.hxg6+ Kxg6 31.Te6+ Kh7 32.g4 c5 33.b5 Sc7 34.gxf5 Sxb5 35.f6+ Kg8 36.Tc4 Te8 37.Tg4 g5 38.Txe8+ Lxe8 39.Te4 Kf8 40.Te7 Dg6 41.Le4 Dh5 42.Lf3 Dg6 43.Txe8+ 1-0

Folglich war sein Ziel, einen WM-Kampf mit Aljechin auszutragen, in weite Ferne gerückt. Da gelang es Botwinnik aufgrund seiner guten Beziehungen zur Funktionärsebene, einen bis dahin unbekannten Titel der „Absoluten Meisterschaft der Sowjetunion" zu kreieren und ein Turnier zur Austragung zu bringen, das im März-April des folgenden Jahres 1941 stattfand. In seinen Erinnerungen (Botwinnik,M.: Schach-Erinnerungen. Rau, Düsseldorf 1981, S. 104) berichtet Botwinnik, wie er dabei Lilienthal und Bondarewski denunzierte: „Gleichzeitig schickte ich einen Brief an Snegirew, in dem ich mich dazu ironisch äußerte, daß der Sieger des Matches Bondarewski-Lilienthal Landesmeister werden müßte (beide waren Schachspieler mit großer Begabung, aber erstklassige schachliche Leistungen gab es nicht), während Keres und Botwinnik bereits starke Leistungen auf internationalen Turnieren gezeigt hatten." Die Tatsache, daß er die schachlichen Leistungen seiner unmittelbaren Konkurrenten Lilienthal und Bondarewski schriftlich bei dem entscheidenden Schachfunktionär schmälert und denunziert und darüberhinaus sich selbst lobend hervorhebt, entlarvt den wahren Charakter Botwinniks.

Und nicht nur das: Botwinnik brachte darüberhinaus das Kunststück fertig, durchzusetzen, daß die sechs Erstplazierten des regulären Meisterschafts-Turniers für das Turnier um die absolute Meisterschaft spielberechtigt waren. Er als Sechstplazierter war also gerade noch mit dabei!

Lilienthal schreibt hierzu in seinen Erinnerungen (Schach war mein Leben. Harri Deutsch, Frankfurt/M. 1988, S. 134 ff.), daß seitens der sowjetischen Schachföderation ursprünglich geplant gewesen sei, die beiden Erstplazierten (Bondarewski und Lilienthal) um den Titel des Landesmeisters spielen zu lassen. Später jedoch sei ihnen mitgeteilt worden, daß beiden der Titel des Landesmeisters zuerkannt werden würde. Daraufhin, so schreibt Lilienthal, „begab ich mich seelenruhig auf eine Simultanreise in den Ural." ... „Während" ...eines „großangelegten Simultanspiels erhielt ich eine Depesche von Präsident Snegow. Ich sollte schleunigst nach Moskau zurückkehren und bei der sogenannten absoluten Meisterschaft der Sowjetunion mitspielen." ... „Das war für mich wie ein Schlag auf den Kopf. Ich war sehr verbittert. Mit einem solchen Turnier hatte ich nicht gerechnet. Natürlich war ich dazu auch nicht vorbereitet."

Botwinnik jedoch hatte sich sehr gut gemeinsam mit seinem Trainer Ragosin vorbereiten können, da er einen Informationsvorsprung hatte und wußte, daß ein Turnier um die sogenannte absolute Meisterschaft stattfinden würde.

Lilienthal wurde Fünfter, Botwinnik aber Erster und damit absoluter Meister der Sowjetunion. Botwinnik, der Stalinist, hatte sich durchsetzen können.

24. Schach in harten Zeiten - Kishon

Ephraim Kishon betont in seinen Erinnerungen (Kishon, E.: Nichts zu lachen. Langen Müller, München 1993, S. 53, 59 und 243 ff.), die schicksalhafte Bedeutung des Schachs in seinem Leben. Er beschreibt, wie er als Abiturient Ende 1944 in Budapest zusammen mit 220 anderen jüdischen und nicht-jüdischen Gymnasiasten in die Slowakei gebracht worden sei. Dort habe ihm das Schachspiel das Leben gerettet. Er sei von dem ungarischen Kommandanten des Lagers, der ein leidenschaftlicher Schachspieler gewesen sei, aufgrund seines Schachkönnens zu dessen Sekretär gemacht worden und habe deshalb zusätzliche Nahrungsmittel aus der Offiziersküche erhalten. Dabei erwähnt Kishon ein Buch von Geza Maroczy und bezeichnet sich selbst als Schach-Profi. Er habe damals zusammen mit dem ungarischen Schach-Jugendmeister Lászlo Hirtenberg ein Buch über „Moderne Eröffnungszüge" geschrieben. Die Art wie Kishon formuliert läßt nicht immer zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. So wissen wir nicht, welches Buch von Maroczy gemeint ist, und auch ein Buch von Kishon über „Moderne Eröffnungszüge" ist uns nicht bekannt.

25. Schach in harten Zeiten - Klaus

Auch der Philosoph und Kommunist Georg Klaus (u.a. Hrsg. von Marxistisch - Leninistisches Wörterbuch der Philosophie. 3 Bde., Rowohlt, Hamburg 1972) erzählt seine „Erlebte Schachnovelle" in Karau, A. und Renner, W. (Hrsg.): Schwarz und Weiss. Sportverlag, Berlin 1960.

Klaus erzählt, wie er als sechzehnjähriger, hoffnungsvoller Nachwuchsschachspieler und Redakteur der Schachecke der „Fränkischen Tagespost" Mitglied des Vorstandes seines Schachklubs, des Nürnberger Arbeiterschachklubs, wurde. Er wurde Ende 1933 Meister von Franken und nutzte nach der Auflösung der Arbeiterschachvereine durch die Nationalsozialisten die ehemaligen Strukturen der Vereine zum Aufbau eines illegalen Netzes der KPD. Bald wurde er entdeckt und zu Gefängnishaft und anschließender Lagerhaft im Konzentrationslager Dachau verurteilt. Sowohl im Gefängnis als auch im Lager spielte Klaus Schach und er berichtet, daß das Schachspiel sich „in der knapp bemessenen Freizeit zu einem nicht unwesentlichen Kulturfaktor" entwickelte. Klaus wurde Schachmeister des Lagers und blieb es bis zu seiner Entlassung. „Nur ein einziges Mal war diese Meisterschaft gefährdet, als nach dem Einfall der Faschisten in Österreich (der Anschluß Österreichs erfolgte im Jahre 1938, HB) auch von dort Häftlinge eintrafen, unter ihnen der starke Wiener Schachmeister Glass. Ich verlor anfangs gegen ihn, weil er aus der Meisterpraxis kam. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an seinen Stil und blieb schließlich siegreich. Freilich, wenn ich der Wahrheit die Ehre geben will, so muß ich gestehen, daß diese Siege nicht unter gleichen Bedingungen ... zustande kamen. Glass war als Jude einem schweren Außenkommando zugeteilt, und er hatte den Nachteil aller Neuzugänge: er war gezeichnet. Die schwarzen Schergen der SS machten unter den Häftlingen wie bei einer Schachpartie ‘Jagd auf Weiße’. Das waren die Leute, unter deren geschorenen Haaren noch die weiße Kopfhaut leuchtete, die bei uns anderen inzwischen gebräunt war. Die ‘Weißköpfe’ waren zusätzlichen Schikanen wie Prügel, Steineschleppen und Strafexercieren ausgesetzt."

Nach der Entlassung aus dem KZ in Dachau wurde Klaus Mitglied im traditionsreichen Nürnberger Schachklub Noris und wurde Zweiter in der Süddeutschen Meisterschaft. Er hatte sich damit für die Großdeutsche Schachmeisterschaft 1942 qualifiziert. Für alle, insbesondere aber auch für die nationalsozialistischen Schachfunktionäre unter Ehrhardt Post, Berlin, war es dann sehr überraschend, so schreibt Klaus, daß er mit nur einem halben Punkt Rückstand hinter Ludwig Rellstab Zweiter der Großdeutschen Meisterschaft wurde. (s.a. Deutsche Schachzeitung, Juli 1942, S. 99). In der Nachkriegszeit hielt sich Klaus schachpraktisch zurück, war aber zeitweise auch Präsident der DDR-Schachorganisation.

Wir haben bislang keine Partie von Georg Klaus finden können. Kann jemand helfen?

26. Max Oppenheimer - MOPP

Bilder des Expressionisten Max Oppenheimer, genannt MOPP, zeigte das Jüdische Museum Wien vom 23. Juni bis 18. September 1994. Oppenheimer fühlte sich zum Schach hingezogen und war ein guter Bekannter und Freund von Emanuel Lasker, für den er einige Bücher illustrierte. Auch das Buch Hannak, Dr. J.: Emanuel Lasker. Biographie eines Schachweltmeisters, Engelhardt, Berlin-Frohnau 1952 wurde von ihm mit Illustrationen versehen. Im Ausstellungskatalog sind zwei der von Oppenheimer gefertigten Schachbilder abgebildet.

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

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