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55. Kreuzschach

Mit einem hübschen Kreuzschach verspielte Tschigorin gegen Schlechter in Ostende 1905 den schon sicher geglaubten Gewinn (Stellung nach 45. Db6+)..

 








Tschigorin, Mikhail - Schlechter, Carl [C30]
Ostende (22), 1905
Königsgambit

1.e4 e5 2.f4 Lc5 3.Sf3 d6 4.Lc4 Sf6 5.d3 Sc6 6.Sc3 a6 7.f5 Sa5 8.Lg5 Sxc4 9.dxc4 b5 10.De2 c6 11.0-0-0 Dc7 12.Sd2 Lb7 13.Sb3 Lb6 14.h4 0-0-0 15.Th3 bxc4 16.Dxc4 d5 17.De2 d4 18.Sa4 c5 19.Lxf6 gxf6 20.Te1 Kb8 21.Dc4 Tc8 22.Tg3 Thg8 23.Txg8 Txg8 24.Sxb6 Dxb6 25.Sxc5 Da5 26.Td1 Txg2 27.a4 Ka7 28.c3 Db6 29.b4 Dc7 30.cxd4 Lxe4 31.Dxa6+ Kb8 32.Db5+ Ka7 33.Td2 Txd2 34.Kxd2 exd4 35.Sxe4 Df4+ 36.Kd3 De3+ 37.Kc4 Dxe4 38.Dd7+ Kb8 39.Kc5 d3 40.b5 Db7 41.Dxd3 Dc7+ 42.Kb4 h5 43.Dd4 De7+ 44.Ka5 Dc7+ 45.Db6+ Ka8 1/2-1/2

56. Eröffnungs-Theorie

Egbert Meissenburg, Seevetal, gibt die exakten bibliografischen Angaben der in SZ 53 angesprochenen Eröffnungsarbeit. Ghulam, Kassim und Cochrane, James: Analysis of the Muzio gambit, and match of the games at chess, played between Madras and Hyderabad, with remarks by Ghulam Kassim and James Cochrane. Courier Press, Madras 1829, [4], 63 S. Die Jahreszahl „1839" bei Schmid ist unzutreffend. Ghulam Kassim starb 1844 (nach Gaige, 1987). Ken Whyld, England, teilt mit, daß er nach Forschungen in der India Office Library annehme, James Cochrane sei 1777 geboren (und nicht 1770). Meissenburg glaubt, das Buch von Ghulam Kassim sei die erste selbständige Eröffnungs-Monografie. Es könne jedoch durchaus sein, so fährt Meissenburg fort, daß es bereits vor 1829 Zusammenstellungen von Zügen zu einzelnen Eröffnungen gegeben hat; dann aber nicht in Druckform sondern als Handschrift. Er weist hier insbesondere auf den Rimington-Wilson/Quaritch Katalog von 1929 hin, der eine gute Fundgrube von Handschriften, die von den Engländern gefertigt wurden, ist.

57. Lasker - Schlechter 1910

Die genauen Bedingungen des Lasker-Schlechter Wettkampfes im Jahre 1910 waren, wie wir u.a. im SZ 32 erörterten, bislang nicht ausreichend klar. Insbesondere in den englischsprachigen Schachzeitungen war seit Mitte der siebziger Jahre eine Fülle von Spekulationen und Behauptungen, bis hin zu geheimen Zusatzbedingungen, die das Match Lasker-Schlechter angeblich zusätzlich regeln sollten, veröffentlicht worden. Letztmalig erschienen Leserbriefe von Louis Blair und Dale Brandreth in New in Chess 1/1995 bzw. 3/1995, die die Angelegenheit jedoch ebensowenig einer Klärung zuführen konnten.

Claus van de Vlierd, Oldenburg, wies uns kürzlich darauf hin, daß eine Sichtung und/oder Nachweis der in Wiener Zeitungen der Jahre 1909 und 1910 erfolgten Mitteilungen bislang nicht erfolgt ist und auf unsere Anregung hin recherchierte Michael Ehn, Wien, in den Wiener Zeitungen jener Jahre. Das Ergebnis ist einfach und ebenso klar (siehe den Artikel von Ehn im nächsten Heft: Lasker-Schlechter 1910. Neue Fakten aus Wiener Quellen) und nach Ehns verdienstvollen Forschungen steht nunmehr fest: Der Kampf zwischen Lasker und Schlechter im Jahre 1910 war ein Weltmeisterschaftskampf. Ein Sieg mit einem Punkt Vorsprung hätte Schlechter zum Weltmeistertitel ausgereicht.

58. François Alexandre Le Lionnais

Seit dem Erscheinen des SZ 29 haben wir vergeblich versucht, im Musée de la Libération in Paris das von Le Lionnais im Gefängnis von Fresnes in deutscher Gefangenschaft verfaßte Schach-Manuskript ausfindig zu machen. Eine Schrift von Le Lionnais ist jedoch nicht in den Archiven des Museums verzeichnet. Es scheint gut möglich zu sein, daß die kleine unscheinbare Schrift von den französischen Beamten nicht der Archivierung für würdig gehalten und vernichtet worden ist.

59. Howard Staunton

Zu SZ 7 und 33 teilt uns Jürgen Treutler, Düren, mit, daß Arpad Elo in seinem Buch The Rating of Chessplayers, past and present (Batsford, London 1978) mittels Berechnung des besten Elo-Fünfjahresschnittes zeitgenössischer und alter Schachmeister versuchte, deren Spielstärken miteinander zu vergleichen. Wenngleich der von Elo gewählte fünf-Jahres Zeitraum willkürlich erscheint, mögen seine Berechnungen für einen eng umgrenzten Zeitraum greifen, meint Treutler. Er listet (in alphabetischer Reihenfolge) einige Zeitgenossen Stauntons (bis Geburtsjahr 1839) auf und weist damit nach, daß mit Ausnahme von Harrwitz und Löwenthal alle anderen den Engländer mehr oder minder entscheidend an Spielstärke übertrafen.

Anderssen, Deutschland, 1818-1879, 2600
Dubois, Italien, 1817-1899, 2550
Harrwitz, Deutschland, 1823-1884, 2520
Kolisch, Ungarn, 1837-1889, 2570
von der Lasa, Deutschland, 1818-1899, 2600
Löwenthal, Ungarn, 1810-1876, 2510
Mackenzie, Schottland, 1837-1891, 2560
Morphy, USA, 1837-1884, 2690
Neumann, Deutschland, 1838-1881, 2570
Paulsen, L., Deutschland, 1833-1891, 2550
Petrov, Rußland, 1794-1867, 2530
Staunton, England, 1810-1874, 2520
Winawer, Polen, 1838-1920, 2530

Von einer Überlegenheit Stauntons in seiner Epoche kann sicherlich nicht gesprochen werden. Von den „stärksten Spielern der Geschichte" (Divinsky) ganz zu schweigen.

Egbert Meissenburg, Seevetal, und Hans-Wilhelm Fink, Koblenz, verweisen auf eine Arbeit von Bernd-Peter Lange: Modernisierung des aristokratischen Habitus. Howard Staunton als viktorianischer Gentleman, Schachmeister und Philologe. In: Archiv für Kulturgeschichte, 76, 1994, S. 201-229.

 

Dort wird Stauntons Persönlichkeitsentwicklung und Status im gesellschaftlichen Gefüge Englands sowohl als Schachspieler als auch als Philologe näher beleuchtet und es wird deutlich, weshalb Staunton spätestens ab 1850 nicht mehr in der Lage war, herausragendes Schach zu spielen. Lange legt dar, daß die industrielle und politische Entwicklung der englischen Gesellschaft im 19. Jhdt. einen Modernisierungsschub mit sich brachte, der zu einer Legitimationskrise des Sozialtypus des Gentleman, der bis dahin im wesentlichen von überwiegend aristokratischen Merkmalen wie Landbesitz usw. gekennzeichnet war, führte. Die soziokulturelle Entwicklung machte eine neue, überwiegend am modernen Arbeitsleben orientierte Definition des Gentleman notwendig. Staunton, der sich stets um die Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Elite bemühte, vollzog in seiner eigenen ontologischen Entwicklung den allmählichen Prozeß der Umdefinition des viktorianischen Gentleman, indem er sich im Laufe seines Lebens zunehmend der Herausgabe der Werke Shakespeares widmete, also eine allseits anerkannte wissenschaftliche Tätigkeit ausübte. Herausragende Leistungen im Schach zu vollbringen, waren seiner Meinung nach nicht mehr ausreichend den von ihm beanspruchten hohen Sozialstatus eines Gentleman begründen zu können. Im Zuge der Modernisierung des aristokratischen Habitus des Gentleman vernachlässigte Staunton deshalb insbesondere in den Jahren ab 1850 das schachpraktische Training und verlor so den 1843 gegen Saint-Amant in Paris errungenen Superioritätsanspruch. In seinen Schriften wertete er das Schach als bloßes Freizeitamüsement ab, dem auf keinen Fall die Energie des Arbeitsalltages geopfert werden dürfe. Die von Staunton selbst vorangetriebene Entwicklung - weg vom Schachspieler und hin zum „man of letters" - führte zunächst zum Verlust der 1843 errungenen, wenn auch inoffiziellen, Weltmeisterschafts - Würde und war später vor allem gegenläufig zu seiner posthumen Reputation, die ihm eher, so schreibt Lange, einen zentralen Platz in der Entwicklungsgeschichte des Schachs zuschreiben will und ihm für seine editorische Leistung der Werke Shakespeares in der Kulturgeschichte der Shakespearekritik lediglich eine Fußnote zuweist.

60. Anderssen

Von John van Manen und Bob Meadley, beide Australien, stammt der folgende Hinweis auf eine bislang unbekannte Periode des Lebens von Adolf Anderssen. In der Allgemeinen Deutschen Biographie, Vol. 45 (1900), S. 776-779 steht in dem von Max Lange verfaßten Artikel über Adolf Anderssen: „ ... . Geboren am 6. Juli 1818 als Sohn eines Handelsmannes zu Breslau genoß A. von 1830-1838 die Vorbildung auf dem Elisabeth-Gymnasium dieser Stadt, an deren Hochschule er nachher bis 1843 Mathematik und Philosophie studirte, um dann 1845 die Lehrerprüfung zu bestehen. Ein Jahr darauf sehen wir ihn als Candidat des höheren Schulamtes sein amtliches Probejahr bei dem Friedrichs-Gymnasium in Breslau abhalten. Am Schlusse dieses Schuljahres empfing A. ausdrücklich die directoriale Anerkennung, daß er ‘mit großem Eifer und gutem Erfolge unterrichtet habe’. Doch schon im Sommer 1849 verließ A. seinen amtlichen Wirkungskreis, um eine sehr vorteilhafte Privatstellung als Hauslehrer in Gr. Machmin (Pommern) anzunehmen. Sein Abgang von der Breslauer Lehranstalt wurde wegen der ‘trefflichen Ergebnisse, die sein Unterricht erzielt hatte’, als ein ‘wahrer Verlust für die Anstalt’ bezeichnet. Zwei Jahre darauf, Michaelis 1851, kehrte indessen A., der inzwischen auch große Triumphe als Schachmeister hatte im Auslande feiern können, zu dem Friedrichs-Gymnasium zurück, an welchem er, gern wieder aufgenommen, fortan sein ganzes Leben hindurch, und zwar zunächst als Hülfslehrer, dann seit 1853 als ordentlicher (fünfter) Lehrer, seit 1856 als dritter und seit 1867 als zweiter Professor der Anstalt segensreich für die geistige Entwicklung der ihm anvertrauten Schuljugend wirkte. ... ."

Wer weiß wo Groß Machmin in Pommern liegt? Wir konnten es auf den uns zugänglichen Karten nicht finden. Von Gottschall schreibt in seinem Anderssen-Buch, daß A. nach dem Turnier in London am 13.8.1851 in Berlin eintraf. Bachmann (Adolf Anderssen. Brügel und Sohn, Ansbach 1902) teilt mit, daß A. am 23.8.1851 wohlbehalten in Breslau angekommen sei. Nach den Angaben Max Langes in der Allgemeinen Deutschen Biografie (s.o.), A. sei Michaelis 1851 an das Friedrichs-Gymnasium zurückgekehrt, kann man annehmen, daß damit wohl der 29. September 1851, der Tag des Erzengels Michael, gemeint ist. Anderssen kehrte also nicht mehr nach Groß Machmin zurück. Wer kann Angaben über die Tätigkeit Anderssens als gutbezahlter Privatlehrer in Groß Machmin machen? Er müßte sich dort von Sommer 1849 bis zum Beginn des Turniers in London im Mai 1851 aufgehalten haben. Für die Beantwortung dieser Frage setzen wir als Preis ein Exemplar des Original Turnierbuches von Hastings 1895 (Cheshire [Hrsg.], Chatto und Windus, London 1896) im Werte von etwa DM 350.- aus. Die Klärung dieser Frage scheint von einiger Bedeutung, denn bis dahin war Anderssen schachpraktisch nicht sonderlich hervorgetreten. Wo hatte er die notwendige Schachpraxis vor dem Turnier 1851 erlangen können, etwa in Groß Machmin, Pommern?

61. Bibliotheque de Monsieur X in Paris

In Paris fand am Donnerstag, den 8.6.1995 um 14.00 Uhr eine Auktion statt, bei der älteste und außerordentlich seltene Werke der Schachliteratur zum Verkauf gelangten. Neben den sehr seltenen Druckwerken über den Schachautomaten des Baron von Kempelen verfaßt von von Racknitz, 1789 (13.000.- FF), Windisch, 1783 (Deutsche Ausgabe 2000.- FF; Französische Ausgabe 4500.- FF) , Willis, 1821 (4200.- FF) und Hunnemann, 1820 (1000.- FF) gelangten auch ein Lopez, Alcala 1561 (3500.- FF), ein Greco, London 1656 (2500.- FF), drei Lopez’ in der Übersetzung des Italieners Tarsia, Venedig 1584 (8000.- FF, 6500.- FF bzw. 4500.- FF), sowie das äußerst seltene Werk von Gianutio, Turin 1597 (9000.- FF) zum Verkauf. Die ebenfalls sehr seltenen Werke von Piacenza, Turin 1683 (3200.- FF), Ducchi, Vicenza 1586 (3200.- FF) und Damiani, Rom 1606 (3500.- FF) gingen zu vergleichsweise günstigen Preisen nach Deutschland. Ein undatierter Damiano (ungefähr 1540) brachte 20.000.- FF, ein zweiter Damiano, auf 1564 datiert, wurde für 7500.- FF ersteigert. Die Tatsache, daß sich auch einige Manuskripte in der insgesamt 226 Nummern umfassenden Sammlung befanden, ließ die anwesende, internationale Sammlerschar vermuten, daß es sich bei der Sammlung um Teile der im Jahre 1928 verkauften Kollektion des berühmten englischen Sammlers J.W. Rimington-Wilson handelte. Der vom "Expert" erstellte Katalog ist jedoch eine einzige Katastrophe voller Fehler, in dem nicht einmal die anerkannten bibliografischen Regeln eingehalten sind. Auch wurden noch unmittelbar vor der Auktion einige Lot-Nummern geändert, so daß gelegentlich nur der vorher Eingeweihte und des Französischen gut mächtige wußte, welche Bücher gerade zur Versteigerung gelangten.

Die Auktion fand in der Straße der großen Pariser Modehäuser, der Avenue Montaigne, in der Nähe des Arc de Triomphe statt. Claudia Schiffer oder gar Nadia Auermann konnten wir jedoch nicht unter den insgesamt nur wenigen anwesenden Sammlern ausmachen.

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

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