|
|
76. Simultan Henri Serruys, Belgien, liefert die folgende Simultanpartie Alexander Aljechins gegen Ministerialrat Professor Kraft.
77. Lionel Kieseritzky Zu SZ 5, Lionel Kieseritzky (1806-1853), weist uns Ulrich Grammel, Heilbronn, auf die folgende Stelle in Ernste Spiele. Vortraege, theils neu theils längst vergessen (dritte Auflage bei Wilhelm Hertz, Berlin 1875) von Johann Eduard Erdmann hin. Johann Eduard Erdmann, geb. 13.6.1805 in Wolmar (heute Valmiera, Lettland), war Philosoph und als solcher später Professor an der Universität in Halle. In dem erwähnten Buch schreibt er: „Durch alle Schul-Classen war mein Nachbar auf der Bank ein auch sonst seltsamer Knabe, der uns (damals passionirte Schachspieler) oft zum Erstaunen hinriss, wenn er, ohne ein Brett vor den Augen zu haben, zwei verschiedene Schachpartien in den Nebenzimmern dirigirte und fast immer gewann. Viele Jahre darauf fand ich im Café de la Régence in Paris ihn als anerkanntes Haupt - Labourdonnais war gestorben und St. Amant hatte vor ihm die Segel gestrichen - der französischen Schachspieler. Er lebte vom Unterricht in der Mathematik und dem, wie er sagte, viel schwierigeren im Schach, und sprach wiederholt als die Bestimmung seines Lebens dies aus, der Welt begreiflich zu machen, dass Schach kein Spiel sei, sondern eine Wissenschaft. ‘Auch von der Statistik’, setzte er hinzu, ‘glaubte man anfänglich, sie sei eine Spielerei’". Weitere Angaben über Kieseritzky (1806-1853), u.a. von dessen Bruder Guido, fanden wir in der DSZ 1853, S. 316 ff. und 1855, S. 297 ff.: „Lionel Adalbert Bagration Felix Kieseritzky (von Rechtswegen eigentlich des heil. röm. Reichs Freiherr von Koseritz und polnischer Graf Kizericki) ward geboren in Dorpat am 20. December 1805 (1. Januar 1806), und war das jüngste - 14te - Kind von Otto Wilhelm Kieseritzky und seiner Ehegattin Catharina Felicitas geb. von Hoffmann." 1996 erschien ein hervorragend recherchiertes Buch von Tomasz Lissowski und Bartlomiej Macieja, Zagadka Kieseritzky'ego, Wydawnictwo DiG, Warschau 1996, das für den des Polnischen kundigen weitere Einzelheiten bringt. Ein Nachkomme Kieseritzkys ist kürzlich mit einem Buch in Erscheinung getreten: Ingomar von Kieseritzky, Da kann man nichts machen. Roman. C. H. Beck, München 2001. Wir haben das Buch noch nicht gelesen und können deshalb nicht sagen, ob ein Schachbezug hergestellt wird. 78. Schach in der Trivialliteratur Zu SZ 12, Schach in der Trivialliteratur, macht uns Dr. H.-J. Wagner, Paderborn, auf ein Heft der phantastischen Heftromanserie Sun Koh, der Erbe von Atlantis aufmerksam. In der von Paul Alfred Müller (unter dem Pseudonym Lok Myler) verfaßten, in den Jahren 1933-1936 im Verlag A. Bergmann, Leipzig, erschienen Serie gibt es einen Band (Band 112, Volk unter Tag), in dem das Schachspiel eine wesentliche Rolle spielt. Eine Expedition dringt ins unerforschte Innere der Insel Neuguinea ein, um einige dorthin Verschleppte zu suchen. Man findet diese in der Gewalt eines bis dahin unbekannten, in unterirdischen Felsenwohnungen lebenden Volkes. Dieses „Volk unter Tag" ist geistig relativ hoch entwickelt ist und kennt das Schachspiel, dem sie einen hohen Stellenwert zuweist. Diese Tatsache erlaubt es dem Leiter der Suchexpedition schließlich, die Freilassung der Verschleppten durch den Gewinn einer Schachpartie zu erreichen und so einen gewaltsamen Befreiungsversuch unnötig zu machen. Manfred Mittelbach, Hamburg, weist auf Hal Fosters Prinz Eisenherz, König Zog verbirgt etwas, Band 47, in dem der Prinz eine Partie Lebendes Schach spielt, hin. 79. Albert Freiherr von Rothschild - Der Schachbaron von Wien In einem 1994 in der italienischen Zeitschrift Scacchi e Scienze Applicate (Fasc. 14, S. 5-10) erschienenen Artikel weist Michael Ehn, Wien, auf den wesentlichen quantitativen und qualitativen Anteil von Juden an dem um die Jahrhundertwende so blühenden Wiener Schachleben hin. Dabei ragen unter den Schachmäzenen, die durch ihre teilweise erheblichen finanziellen Beiträge die Durchführung von Turnieren und das normale Wiener Vereinsleben unterstützten, insbesondere die Namen der jüdischen Familien Trebitsch und Rothschild hervor. Ohne die organisatorische und finanzielle Mitwirkung der Familien Trebitsch und Rothschild hätte kein einziges der großen Wiener Turniere zwischen 1873 und 1938 abgehalten werden können; auch die Wiener Schachgesellschaft (später Wiener Schachklub) und die Wiener Schachzeitung hätten ohne sie niemals jene historische Bedeutung erlangt. So hinterließ der Seidenfabrikant Leopold Trebitsch dem Wiener Schachklub 100.000 Kronen, von denen die bekannten Trebitsch Gedenkturniere finanziert wurden. Und im Jahre 1910 übersiedelte beispielsweise der Wiener Schachklub in das feudale Palais Herberstein, in dem zwei Stockwerke mit 16 (!) geräumigen Spielzimmern, Konversations- und Lesesälen den Mitgliedern zur Verfügung standen. Der höchste Mitgliederstand des Klubs wurde zwischen 1910 und 1916 mit über 600 erreicht. Mit einem im Jahre 1910 auf etwa 1 Milliarde Kronen geschätzten Vermögen galt Albert Salomon Anselm Freiherr von Rothschild (1844-1911) als der reichste Mann Europas. Er war ein begeisterter Schachspieler und -liebhaber und schon früh, so schreibt Ehn, stand sein schachliches Talent außer Zweifel. Es wurde Wilhelm Steinitz, der soeben aus Prag nach Wien gekommen war und hier als Student wahre Hungerjahre erlebte, als Schachlehrer für Rothschild engagiert. Später förderte Rothschild mehrere Wiener Schachmeister unter denen sicherlich Ignatz Kolisch (1837-1889) der bekannteste sein dürfte. Unzählig sind die Anekdoten, die beschreiben wie Kolisch als Börsianer mit Hilfe Rothschildscher Ratschläge zum Millionär wurde.
Schachpraktisch errang Rothschild fast Meisterstärke. Es scheint, daß er nur sehr wenige Partien mit der Elite der Wiener Meister (Albin, Marco, Schlechter) wechselte und eher Meister kleineren Kalibers bevorzugte gegen die er mit gutem Erfolg kämpfte. Für gewöhnlich waren August Kaulla und Ludwig Weinbrenner, zwei alte Mitglieder der Wiener Schachgesellschaft, natürlich auch Ignatz Kolisch, später der Arzt Siegmund Pollak (1848-1912) und Hermann Lehnert (1842-1897), Herausgeber der Österreichischen Schachzeitung 1872-75 und der Österreichischen Lesehalle 1881-1896, seine bevorzugten Gegner. Die folgende Partie spielte Rothschild als dreissigjähriger junger Mann. Albert Freiherr von Rothschild starb plötzlich und unerwartet am 11.2.1911. Wien hatte am Vorabend des Ersten Weltkrieges, in dessen Folge die Österreich-Ungarische Monarchie endgültig zerfiel, einen seiner größten Schachmäzene verloren. Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de |