|
![]() ![]() ![]() ![]() |
95. Tarrasch Zu Siegbert Tarrasch teilt Egbert Meissenburg, Seevetal, der Robert Hübner der deutschen Schach-Aficionados (scheu, aber wacker), mit, daß Tarraschs erste Ehe mit Rosa Anna Tarrasch geb. Rudolf im Jahre 1924 geschieden worden ist. Darüberhinaus regt er an, zu prüfen, wann und unter welchen Umständen Tarrasch den Titel Praeceptor Germaniae erhalten hat. Wir merken an, daß eine Tarrasch-Biographie, die diesen Namen verdient, bislang noch fehlt. Wir kennen lediglich zwei im Stile der „Beste Partien"-Bücher verfaßte Werke; zum einen das bei de Gruyter 1963 erschienene Büchlein von Brinckmann Siegbert Tarrasch. Lehrmeister der Schachwelt und zum anderen das Buch von Fred Reinfeld mit dem Titel Tarrasch’s Best Games Of Chess, Chatto und Windus, London 1947. Dies ist umso erstaunlicher als Tarrasch zusammen mit Anderssen, Lasker, Paulsen und Steinitz zu den größten Schachspielern deutscher Sprache gehört und somit sicherlich eine ausführlichere Würdigung verdient hätte. Vielleicht liegt das Fehlen einer ausführlichen Tarrasch-Biografie auch an der Tatsache, daß Tarrasch selbst schachschriftstellerisch sehr produktiv war und damit sein eigener schachlicher Werdegang im Grunde gut dokumentiert ist. Über Tarraschs Lebensumstände aber wissen wir sehr wenig. Auch wäre es interessant zu erfahren, so regt ein Leser an, in Erfahrung zu bringen, ob die Grabstätte Tarraschs auf dem Münchener Nordfriedhof noch existiert. 96. Simultan Aljechin Einige Leser geben den wahrscheinlichsten Partieanfang (Züge 1 bis 14) des in SZ 90 angegebenen Partiefragments Aljechin vs Kraft wie folgt an:
Die Hauptvariante des orthodoxen Damengambits wurde sicherlich schon in tausenden Partien gespielt, meint Klaus Seeck, Husum. Die Enzyklopädie gibt 15. Tc1 als Hauptspiel an, nennt daneben aber noch 15. Tb1 und 15. Lb3. Aljechins 15. a4 scheint also wirklich minderwertig zu sein. Wer kann weitere Angaben zur Person von Kraft (s.a. SZ 87) machen ? 97. Fallen, Fehler, Schwindel und Verluste Der größte „Schwindler" aller Zeiten war (nach The Oxford Companion to Chess, Oxford University Press, Oxford 1992) Frank James Marshall (1877-1944). In Monte Carlo 1904 gelang es ihm in verlorener Stellung gegen Marco mit einer grandiosen, 11-zügigen „Schwindel"-Kombination zu entschlüpfen, wodurch Marco so demoralisiert war, daß er die Partie sogar noch verlor. Wer kann weitere Welt- und Großmeister Partien angeben, in denen die eine Partei in verlorener Stellung mit einer "Schwindelei" das Ruder noch einmal herumreißen konnte?
Wie Dietmar Friedrich, Saarlouis, (zu SZ 90) mitteilt, wurde die in Rede stehende Königsgambit-Partie zwischen von der Lasa und Szen und die Damengambit-Partie zwischen Mayet und Szen gespielt. Die Partien sind in der Schachzeitung 1847, S. 51 und in Bilguers Handbuch (1. Aufl. 1843), S. 361 verzeichnet und in der Schachzeitung auch mit Namen kenntlich gemacht. Wie Friedrich weiter mitteilt, gehörten die Partien zu einer Serie von Partien, die Szen während eines Aufenthaltes auf der Rückreise von Paris in Berlin am 16. und 17. April 1839 mit den Meistern Bledow, von Bilguer, Mayet und von der Lasa spielte (siehe DSZ, Januar 1847, S. 13 ff.). Offenbar hat Harold J. R. Murray sorgfältiger recherchiert als sein moderner Kollege G. H. Diggle in dem von Edward Winter herausgegebenen Buch World Chess Champions. 99. Das menschliche Element Zu Zettel 41 haben wir keine Anmerkungen erhalten. Wir hatten auf Laskers Artikel in seiner Schachzeitung (Lasker’s Chess Magazine) im Jahre 1904 hingewiesen, in dem er das „menschliche Element" betonte, das von jeder Schachpublikation zu beachten sei. Es ist zum Verständnis des Aufsatzes von Lasker sicherlich hilfreich, die allgemeine durch Bevölkerungsexplosion und Massenkonsum gekennzeichnete gesellschaftspolitische Konstellation zu vergegenwärtigen, in der sich die Printmedien um die Jahrhundertwende ihren Platz erst noch erkämpfen mußten. Es ist in der heutigen, durch allgegenwärtige, zeitweise allmächtig anmutende Medienpräsenz gekennzeichneten Welt nicht einfach, sich vorzustellen, daß im Jahre 1904, als Lasker seine Zeilen über den Inhalt der Schachzeitungen schrieb, erst acht Jahre seit dem Erscheinen der ersten Zeitung mit Massenauflage vergangen waren. Im Jahre 1896 hatte die Daily Mail des Alfred Harmsworth, des späteren Lord Northcliffe, zu erscheinen begonnen. Der Grundsatz dieses Pioniers lautete „Dem Publikum das geben, was es verlangt". Northcliffe legte wert darauf, daß die Zeitung sich mit dem befassen solle, was die breite Masse der Menschen interessiere und forderte, daß „eine Zeitung sich bezahlt machen" solle. Verkaufszahlen wurden in der Folgezeit wichtigstes Kriterium des Journalismus und ein Nachrichtenkonzept entstand, das über die traditionellen Informationen aus Wirtschaft und Politik hinausgehend auch Geschichten aus dem Alltagsleben der einfachen Leute brachte. Dieses Konzept wurde die neue Form des modernen Journalismus und später mit dem Begriff der Human-Interest-Stories belegt (John Carey, Die Intellektuellen und die Massen. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. Sonderheft Sept./Okt. 1995, S. 875-889). Jeder von uns kennt die stürmische Entwicklung, die sich seit dieser Zeit in der Medienlandschaft vollzogen hat. Die vielen Presseerzeugnisse wie Bild-Zeitung, Super-Illu etc. oder die auch in unserem Land durch das halbnackt posierende page-three-Girl bekannt gewordene englischsprachige Sun sind Belege dafür, daß damals wie heute Verkaufszahlen wichtigstes Kriterium für den Journalismus sind. Richtig aber ist auch, daß damals wie heute eine Diskussion darüber geführt wird, ob solcherart Journalismus denn wirklich kommod und wünschenswert sei, insbesondere da Journalisten unter dem Druck hohe Zuschauerquoten zu erzielen sogar vor Fälschungen nicht zurückschrecken. Die Gegner der Massenkultur und des Massenjournalismus sind insbesondere unter den Intellektuellen zu finden, die im modernen Journalismus eine Bedrohung der menschlichen Kultur sehen. Autoren wie Ortega y Gasset und H.G. Wells beschrieben den bedrohlichen Zuwachs an Bevölkerung und fürchteten, eine Diktatur der Massen sei die Folge. Nietzsches Also sprach Zarathustra verkündet „Viel zu Viele leben" und im Willen zur Macht lautet die Botschaft: "Eine Kriegserklärung der höheren Menschen an die Masse ist nötig". Zwangsläufig gelangen wir damit auch zu der Frage, was denn für eine Schachzeitung (und die Schach-Zettel) im übertragenen Sinne Human Interest sei. Jeder von uns wird anhand der Verkaufszahlen feststellen können, daß hauptsächlich die Eröffnungsliteratur das Interesse der meisten Schachspieler findet und damit das wesentlichste Kriterium erfüllt. Dabei stellen die in den Publikationen abgehandelten Varianten und Untervarianten eben das dar, was der einfache Schachspieler jeden Samstag oder Sonntag beim Turnier- oder Mannschaftsspiel vorfindet und ihn deshalb persönlich anspricht. Auch Turnier- und Hintergrundberichte von persönlich beteiligten Spielern sind interessant und vermitteln dem Amateur- und Hobbyspieler einen Einblick in die Welt des großen Schach, wie es einmal ein Korrespondent formulierte. In der (zugegebenermaßen winzigen) Welt des Schachs wird die Diskussion über die Art des Schachjournalismus ebenfalls kontrovers geführt. Autoren wie Edward Winter beklagen die sintflutartige Ausbreitung immer neuer, schlecht gemachter Theoriewerke, kritisieren die Endlos-Produktion der u.a. bei Batsford erscheinenden Massen-Werke dessen Hausautoren Raymond Keene und loben auch schon einmal einen Buchpreis für das beste Schachbuch des Jahres zum Zwecke der Hebung des schachliterarischen Niveaus aus. Andere driften in’s Esoterische ab, wohingegen wiederum andere die Ansicht vertreten, die Produktion der eröffungstheoretischen Massenliteratur sei gleichzeitig Ausdruck eines mangelnden Interesses der Schachöffentlichkeit an Schachgeschichte und konstruieren damit ein ihnen inzwischen über die Jahre hin lieb gewordenes literarisches Feigenblatt, das sie als Begründung dafür benutzen, ihre Arbeiten in einer streng limitierten, nur einem elitären Kreis von wenigen Rezipienten zugänglichen Auflage von bis maximal zehn Exemplaren in den Umlauf zu bringen. Die Masse der Rezipienten mag sich schon ihre Billigkopien selbst ziehen, lautet hier die unausgesprochene Kriegserklärung des höheren Schachmenschen Egbert Meissenburg an die Masse der Schachspieler. Der Aufsatz Laskers mag im Kontext dieser Diskussion zu sehen sein und hat demgemäß von seiner Aktualität nichts eingebüßt. Laskers eigene Schachzeitung aber erlitt das Schicksal seiner vielen Vorgänger und Nachfolger. Die letzte Nummer von Lasker’s Chess Magazine erschien im Januar 1909. Nicht einmal sechs Jahre nach seinem in SZ 41 übersetzten Artikel. Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de |