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Harald Falk: Schachbuchsammler

Am 8.6.1995 wurden in Paris absolute Raritäten der Schachliteratur versteigert. Wir konnten die Sammlung vor der Auktion sichten und fanden bei etwa 90% der Bücher den mit Bleistift angebrachten Namenszug Falk auf dem rechten oberen Eck des Vorsatzblattes vermerkt. Unter Sammlern ist Harald Falk aus Hamburg nicht ganz unbekannt (siehe auch den Beitrag von Harald Falk selbst in Tarraschs Schachzeitung, Dezember 1932, S. 68 ff.: Schach bei den Hamburger Erwerbslosen).

Falk war Jude und wich im Jahre 1933 vor den Nazis nach Paris aus, wo er ein Restaurant für Vegetarier führte. Wir nehmen an, daß sein Vater Dr. Hermann Falk hieß. Die Familie muß einigermaßen wohlhabend gewesen sein, denn sonst hätte Harald Falk nicht eine so ausgesuchte Schachbuch-Sammlung aufbauen können. 1938 beauftragte er den Buchhändler Leo Baer in Paris mit dem Verkauf seiner Schachbuch-Sammlung. Hierzu war er möglicherweise aus materiellen Gründen gezwungen, da die monatliche Unterstützung seines noch in Hamburg lebenden Vaters infolge der sich in Deutschland verschärfenden Judenverfolgungen ausgeblieben sein dürfte und sein Vegetarier-Restaurant nicht den erhofften Ertrag brachte. Der Gesamtpreis der Sammlung betrug 1250.- $.

Seit einer Mitteilung von Dr. Niemeijer (Niemeijer, Dr. M.: Schaakbibliotheken, Wassenaar 1948, S. 29 ff.), glaubte man, daß der Hauptteil der Falk-Sammlung von dem amerikanischen Schachspieler Albert S. Pinkus (1903-1984) erworben worden sei. Daß dem nicht so ist, sondern Pinkus nur den schachpraktisch wichtigen Teil, wie Turnkierbücher etc. gekauft hat (dessen Sammlung wiederum ging später hauptsächlich an Lothar Schmid, Bamberg), wurde erst 1995 mit dem Verkauf der Bibliotheque von Monsieur X deutlich.

In einem von Leo Baer erstellten Katalog der Falk-Sammlung werden 20 Bücher des 16. Jhdts., 27 Bücher des 17. Jhdts. und 108 Bücher des 18. Jhdts. aufgeführt. Wir haben den Katalog der jetzt in Paris zum Verkauf gelangten Sammlung in dieser Hinsicht überprüft. Danach waren von den insgesamt 226 Losnummern 10 Bücher aus dem 16. Jhdt. (es fehlen 10 Bücher im Vergleich mit dem Katalog von Baer), 21 Nummern aus dem 17. Jhdt. (es fehlen 6 Bücher) und 45 Nummern aus dem 18. Jhdt. (es fehlen 63 Bücher). Darüberhinaus konnten wir in der Sammlung des Monsieur X 84 Bücher, die zwischen 1800 und 1850 sowie 44 Bücher, die zwischen 1850 und 1900 erschienen sind, nachweisen.

Leider liegen uns der Originalkatalog von Leo Baer, 1938, und eine in diesem Zusammenhang interessierende Bücher-Liste des französischen und noch lebenden Schachbuch-Händlers Julien Guisle nicht vor, so daß uns weitere Ausssagen zum Schicksal der Falk-Sammlung nicht möglich sind. Immerhin fehlen 10 der Bücher des 16. Jhdts. und hier insbesondere die Cessoles-Ausgaben. Vielleicht schlummern sie noch heute in den Räumlichkeiten eines „diskreten" französischen Buchliebhabers?

Die Spuren des jüdischen Schach-Liebhabers und Schach - Bibliophilen Harald Falk verlieren sich in dem von den Deutschen besetzten Frankreich. Der Angriff der Wehrmacht erfolgte am 10. Mai 1940. Innerhalb von sechs Wochen war Frankreich geschlagen. Der Verfolgungsdruck auf Harald Falk und die etwa 200.000 in Paris lebenden Juden nahm zu. Am 16. Juli 1942 begannen in Paris die ersten Verhaftungen ausländischer Juden. Erste Deportationen waren bereits im März und Juni 1942 erfolgt.

Der Schach - Bibliophile Harald Falk wurde am 27.7.1905 in Hamburg als Sohn des Senatspräsidenten am Hanseatischen Oberlandesgericht, Dr. Hermann Falk, geboren. Auf Wunsch des Vaters ging Falk nach München um dort Jura zu studieren, interessierte sich jedoch in Wirklichkeit mehr für Literatur- und Kunstgeschichte und war dann auch beruflich als Antiquar beschäftigt. Wahrscheinlich hat sich Falk dort das notwendige Rüstzeug für seine Tätigkeit als Schachbuchsammler erworben, denn bereits in dieser Zeit kaufte Falk Schachbücher. Am 6.9.1930 erwarb er beispielsweise vom Akademischen Schachklub München das von Steinitz herausgegebene Turnierbuch The Book of The Sixth American Chess Congress, New York 1889, für 20.- Mark wobei er sich für die Reinigung des stark verschmutzten Buches 4.- Mark abziehen ließ, so daß er 16.- Mark für das seltene, lediglich in 500 Exemplaren gedruckte Buch bezahlen mußte.

Wir veröffentlichen hier erstmals ein Photo von Harald Falk, das uns freundlicherweise von Ulrich Grammel, Heilbronn, zur Verfügung gestellt wurde.

 

Im Jahre 1933 ging Falk, der jüdischer Abstammung war, nach Paris und führte dort zusammen mit seiner Ehefrau ein kleines vegetarisches Restaurant, das sie ausreichend nährte. Ersten Kontakt mit französischen Schachkreisen und hier insbesondere mit Gaston Legrain und François Le Lionnais, den Verfassern und Herausgebern der Cahiers de L’Echiquier Français, hatte Falk bereits Ende des Jahres 1932 aufgenommen. Im 32. Heft der Cahiers de L’Echiquier Français (S. 537) zitiert Gaston Legrain aus einem Brief Falks. Falk teilt darin in perfektem Französisch mit, er sei „ein leidenschaftlicher Schachbuchsammler und versuche, seine etwa 1400 Bände umfassende Sammlung weiter zu vergrößern". Doch Falk war nicht nur Sammler von Schachliteratur. Auch die schachpraktische Seite des Spiels hatte es ihm angetan, wie nicht nur das oben abgebildete Photo, das ihn an einem Schachbrett zeigt, beweist. Wir konnten jedoch nur zwei Partien von Harald Falk finden. In einer kleinen Sammlung von Kurzpartien veröffentlichte François Le Lionnais, der Nachfolger von Gaston Legrain als Herausgeber der Cahiers de L’Echiquier Français, die folgende Kurzpartie von Falk:

N.N. - Falk,H
Paris, Café Tourville 11.2.1934

1.d4 b6 2.e4 Lb7 3.Ld3 f5 4.ef5: Lg2: 5.Dh5+ g6 6.fg6: Lg7 7.gh7:+ Kf8 8.hg8:D+ Kg8: 9.Lc4+ d5 0:1

Falk stand während seines Pariser Aufenthaltes in engem Kontakt zu François Le Lionnais und Gaston Legrain. Dies wird u.a. auch daran deutlich, daß einige der Bücher, welche kürzlich in Paris versteigert wurden (s. oben), das versteckt angebrachte und nur von Eingeweihten zu findende ExLibris von Gaston Legrain aufweisen. Falk spielte zusammen mit Le Lionnais, der u.a. auch eine Monographie über die Französische Partie schrieb, eine Beratungspartie gegen M. Walter und H. Alexander (Walter hatte das Reserve-Turnier von Hastings des Jahres 1933/34 gewonnen), die wir aus historischen Gründen an dieser Stelle anführen möchten:

Walter u. Alexander - Falk u. Le Lionnais
Französisch
(C 12)

Paris, Café Tourville Mai 1934

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Lb4 5.Sge2 de4: 6.a3 Le7 7.Sg3 Sbd7 8.Dd2 c5 9.dc5: Sc5: 10.Dd8:+ Ld8: 11.Lb5+ Ld7 12.b4 Sd5 13.Ld2 Sc3: 14.Ld7:+ Sd7: 15.Lc3: f5 16.Lg7: Tg8 17.Lb2 Lf6 18.Lf6: Sf6: 19.c4 Ke7 20.f3 f4 21.Se4: Se4: 22.fe4: Tg2: 23.0–0–0 Ta2 24.Thf1 e5 25.Tf3 Te2 26.Th3 Tg8 27.Th7:+ Ke8 28.Tb7: Tgg2 29.c5 f3 30.h4 Te4: 0:1

Die beiden Partien stellen die einzigen schachpraktischen Zeichen dar, welche wir von Harald Falk besitzen.

Nach Ausbruch des Krieges im Mai 1940 flüchteten die Falks in die zunächst nicht von den Deutschen besetzte „Vichy-Zone", dabei immer ihre Bücher mit sich schleppend, so daß Frau Falk später, nach dem Krieg, schreiben sollte, ihr erscheine es wie ein Wunder, „dass wir es fertig brachten, immer diese vielen und schweren Kisten bei uns zu haben, da wir doch sonst nichts mehr besaßen". Die bedeutende Schachbuch-Sammlung Falks sollte erst nach dem Ende des II. Weltkrieges verkauft werden. Aufgrund einer Denunziation wurde Harald Falk von der Gestapo gefaßt und nach Ausschwitz gebracht, von wo er, noch nicht vierzig Jahre alt geworden, nicht mehr zurückkehrte.

Serge Klarsfeld, Paris, verdanken wir die folgenden Angaben, welche uns über das Schicksal des bedeutenden deutschen Schachbuchsammlers jüdischer Abstammung Harald Falk aus Hamburg Auskunft geben.

Harald Falk hatte sich zusammen mit seiner deutschen („arischen") Ehefrau in die von der Wehrmacht zunächst nicht besetzte „Vichy-Zone" Frankreichs begeben und wurde Anfang März 1944 in der rue Alsacienne (oder Lasacrenne) Nr. 6 in Mende (Lozére), Südfrankreich, von der Gestapo gefaßt und nach Montpellier, dem regionalen Zentrum, gebracht. Am 10. März 1944 wurde er nach Drancy in ein von den Behörden errichtetes Sammellager bei Paris transportiert, wo er in Block 9.4 interniert war. 17 Tage später, am 27. März 1944, verließ ein Transport, es war der Konvoi Nr. 70, den nahe gelegenen Bahnhof Paris-Bobigny. In einem der überfüllten Güterwaggons war auch Harald Falk aus Hamburg. Sein Name ist auf der uns in Kopie vorliegenden Original- „Abschubliste" des Beauftragten der Sicherheitspolizei in Frankreich, Referat IV 4 b (das Referat Eichmanns), unter der Nummer 217 aufgeführt. Der Zug erreichte Ausschwitz am 30. März 1944. Von den 1025 (609 männlichen und 416 weiblichen) Personen, wurden etwa 380 Männer für den Arbeitsdienst selektiert und unter den Matrikelnummern 176096 bis 176475, die in der Regel auf die Unterarme tätowiert wurden, registriert. 520 Menschen wurden sofort vergast. Von diesem Transport gab es im Jahre 1945 noch 152 Überlebende, davon 73 Frauen (Serge Klarsfeld, Le Calendrier de la Persécution des Juifs en France 1940-1944, Paris 1993).

Harald Falk, geb. am 27.7.1905 in Hamburg, war nicht darunter.

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

© Harald E. Balló