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182. Georg Klaus (erschienen in Schach, Heft 1/2003)

Anläßlich der Wiederkehr des 90. Geburtstages von Georg Klaus am 28.12.1912 und der Beschäftigung mit seiner Vita als Schachspieler (vgl. Schachzettel 25, 35, 43 und 171) scheint es geboten, die gegebenen Informationen fortzuführen und berichtigend zu ergänzen. Die folgenden Anmerkungen verdanken wir Michael Eckardt, Diplomkulturwissenschaftler (Medien), Fakultät Medien, Bauhaus-Universität in Weimar.

Georg Klaus wurde am 28.12.1912 als 3. Sohn des Eisengießers Georg Heinrich Klaus zu Nürnberg geboren. Er gehört dort im Alter von 16 Jahren als hoffnungsvoller Nachwuchsspieler des Nürnberger Arbeiterschachklubs. In dieselbe Zeit fällt auch seine Tätigkeit bei der SPD-Zeitung „Fränkischen Tagespost", für die er die „Schachecke" redigiert. Bis dahin weder gewerkschaftlich noch politisch organisiert, nimmt er das Angebot der KPD an, sich rückwirkend als KPD-Mitglied registrieren zu lassen, um mit Sitz und Stimme an den Vorstandstagungen des Nürnberger Arbeiterschachklubs teilnehmen zu können. Er wird nach dem Abitur im Sommersemester 1932 für das Studium der Mathematik an der Universität Erlangen immatrikuliert. Er studiert bis zu seiner Verhaftung insgesamt drei Semester. Seine Tätigkeit für den Kommunistischen Jugendverband führt er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten illegal weiter, wobei er dafür die Mitgliedschaft im Nürnberger Schachklub „Noris", dem er nach der Zwangsauflösung der Arbeiterschachklubs beigetreten war, nutzt. Klaus wird mit diesem Klub 1933 Meister von Franken. Er organisiert mit Hilfe der ehemaligen Schachfreunde als Sekretär die Arbeit der KPD-Unterbezirksleitung Nordbayern und tritt nach Absprache mit KPD-Funktionären ebenso wie sein Studienkollege Karl Böhm in eine Studentenverbindung ein, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kooperativ in die SA übernommen wird. Er wird einem Lehrsturm der SA zugeteilt und versieht u.a. Dienst in der Stabswache der SA in Nürnberg. In Bayreuth werden beide beim Versuch, die abgerissene Verbindung zu den KPD-Unterbezirken Würzburg, Amberg und Bayreuth wiederherzustellen, durch eingeschleuste Gestapo-Agenten entdeckt und am 10. Oktober 1933 verhaftet. Er wird durch die Gestapo im Keller der SA-Stabswache gefoltert und misshandelt. Schließlich erfolgt die Überführung in die Deutsch-Haus-Kaserne, das Hauptquartier der Gestapo in Nürnberg. Sichtbares Zeichen der Mißhandlung bleiben eine durch glühende Zigaretten vernarbte Nase und Kinn. Klaus wird wegen Hochverrat angeklagt und in die Haftanstalt Stadelheim bei München verlegt und wird nach monatelanger Untersuchungshaft zusammen mit seinem Freund Karl Böhm vom 1. Strafsenat des Obersten Landgerichts in München mit Urteil vom 25.5.1934 wegen Hochverrats zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Haft verbringt der 22-jährige weitgehend in Einzelhaft im Nürnberger Zellengefängnis. In dieser Zeit beschäftigt er sich intensiv mit Blindschach-Partien. Zum Ende der Haftzeit 1936 ergeht ein Schutzhaftbefehl, welcher eine Überführung ins Konzentrationslager Dachau für die Dauer von drei Jahren (Klaus selbst geht zunächst von einer nur dreimonatigen Übergangszeit aus) vorsieht. Die Strapazen der Einzelhaft verdrängend schreibt Klaus seiner Mutter „Der einzige Wunsch den ich zur Zeit überhaupt habe, ist der, daß ich in Dachau recht starke Schachgegner antreffen möge. Ich freue mich jedenfalls auf das Strafende, wenn ich dieses Haus auch in Begleitung zweier „Blauer" verlassen muß. Aber nun gibt es endlich wieder einmal Sport, Schwimmen, Schach und vor allem Menschen!" Das Schachspiel entwickelt sich in Dachau für ihn zu einem „nicht unwesentlichen Kulturfaktor", zumal er dort viele seiner ehemaligen Freunde vom Arbeiterschachbund wiedertrifft. Er ist während seiner Schutzhaft in Dachau Lagermeister im Schach, nur einmalig unterbrochen durch die Teilnahme des Wiener Schachmeisters Glass, der nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich eingeliefert wird.. Georg Klaus wird am 20. April 1939 anläßlich einer Generalamnestie zum 50. Geburtstag Adolf Hitlers entlassen. Klaus steht nach seiner Haftentlassung unter Polizeiaufsicht. Er wird für „wehrunwürdig" erklärt und mit Studierverbot belegt und beginnt er am 15. Mai 1939 eine Tätigkeit im Materiallager bzw. später in der Einkaufsabteilung bei der A.W. Faber Castell Bleistiftfabrik A.G. Stein bei Nürnberg, die ihm eine bemerkenswerte Auffassungsgabe und stets einwandfreie Führung bescheinigen. Vom 17. Februar 1941 bis zu seiner Einberufung arbeitet Klaus für die Schwan-Bleistift-Fabrik A.G. in Nürnberg, für die er die Betriebsabrechnungsbögen erstellt. Der Nürnberger Schachklub „Noris" ermöglicht ihm den Wiedereintritt in das offizielle Schachleben. Klaus wird überraschend Zweiter der Süddeutschen Schachmeisterschaft (Wertungsturnier vom 29. März bis 5. April 1942 in Regensburg; 10 Spieler, Klaus 6,5 Punkte) und qualifiziert sich für die Großdeutsche Meisterschaft. An der Großdeutschen Schachmeisterschaft des Jahres 1942 in Bad Oeynhausen vom 22. Juni bis 4. Juli nimmt der vormalige Kommunist und Dachau-Häftling Klaus nach zähem Feilschen zwischen dem Schachklub „Noris" bzw. dem Bayrischen Schachverband und Bundesgeschäftsführer Ehrhardt Post in Berlin letztendlich doch teil. Die ersten beiden Partien des Turniers gehen verloren, doch dann folgen insgesamt sechs Siege und vier Remis, so daß Klaus mit nur einem halben Zähler Abstand und acht Punkten zusammen mit dem damals bei der Wehrmacht befindlichen Schachtheoretiker Hans Müller (Wien) hinter Ludwig Rellstab Zweiter des Turniers wird. Edith Keller gewinnt die zur gleichen Zeit stattfindende Frauenmeisterschaft. Für diese sollte Klaus im Jahre 1953 bei einem Freundschafts-Länderkampf DDR-Bulgarien als Mannschaftskapitän einspringen. Zum 13. Oktober 1942 erfolgt trotz festgestellter Wehrunwürdigkeit die Einberufung zur Wehrmacht, die ihn nach der Ausbildung zum Westfälischen Schützenregiment Nr. 4 kommandiert. Er nimmt an der Ostfront am 8. März 1943 am Gefecht von Sokolowski teil und liegt mit der Truppe bis Anfang Juli in Ruhe im Raum Charkow. Vom 7. bis zum 19. Juli nimmt er an der Schlacht von Bjelgorod teil, die als Teil der Schlacht am Kursker Bogen in die Geschichtsbücher eingeht. Klaus wird für seinen Einsatz mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse und dem silbernen Verwundetenabzeichen versehen. Der Preis, den er dafür zahlen muß, ist hoch: Er erhält einen Lungenschuß links, wobei die 5. bis 7. Rippe links und das Schulterblatt zertrümmert werden. Er wird in der Folgezeit ständig über Atemnot klagen. Der Obergefreite Klaus erholt sich in verschiedenen Lazaretten (zuletzt im Thüringischen Bad Blankenburg, wo er auch seine erste Ehefrau kennenlernt) nur langsam von seiner Verwundung. Über die Teilnahme an Schachturnieren in diesen Lazaretten ist bisher nichts bekannt. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß Klaus seiner Schachspielleidenschaft weiter erfolgreich nachgegangen ist. Nachweisbar ist seine Teilnahme am Vierten Schachmeisterturnier des Generalgouvernements in Bad Krynica vom 25.11. bis 5.12.1943. Der Berichterstatter der Deutschen Schachzeitung bemerkt über ihn: „Der Soldat Klaus litt ersichtlich unter den Folgen seiner schweren Verwundung und war in seinen Leistungen dadurch stark beeinträchtigt. Er kam nur allmählich in Form und vollbrachte erst in der letzten Runde seine größte Tat, indem er Bogoljubow dessen einzige Niederlage zufügte .... Klaus gewann auch das in einem Lazarett durchgeführte Blitzturnier, das alle Teilnehmer zu einer Wiederholung des Meisterturniers mit umgekehrten Farben vereinigte." Der mit 4,5 Punkten erreichte vierte Platz und der Sieg über Bogoljubow sowie das Remis gegen den späteren Meister Lokvenc können angesichts der schweren Verwundung von Klaus nicht hoch genug bewertet werden. Auch bei diesem Turnier spielt Edith Keller mit. Sie schlägt Klaus während des Turniers und trägt beim anschließenden Blitzturnier gegen Bogoljubow und Lokvenc Siege davon. Nach der Versetzung in eine Genesungskompanie bzw. ein Ersatzbatallion, in dem Klaus als Schreiber und Kammerverwalter Dienst tut, erfolgt im März 1945 trotz totaler Frontuntauglichkeit sein Einsatz am Rhein gegen die West-Allierten. Klaus macht nach dem Krieg zu seinem Ausscheiden aus der Wehrmacht unterschiedliche Angaben. Einmal gibt er an, sich nach wenigen Stunden kanadischen Truppen ergeben zu haben, ein anderes mal berichtet er davon, bei einem Einsatz gegen englische Truppen übergelaufen zu sein. Klaus ist von April bis September 1945 im Lager 2227 in Ostende/Belgien in amerikanischer Kriegsgefangenschaft und ist dort als Chefdolmetscher tätig. Der Entlassungsschein datiert auf den 2. September 1945, gestempelt von der 12th US-Army Group, Zedelghem. Mit 40 Reichsmark Entlassungsgeld begibt er sich nach Nürnberg und reist von dort weiter nach Thüringen (wahrscheinlich nach Bad Blankenburg), um seine Ehefrau wiederzusehen. Auf seinem Rückweg nach Nürnberg legt ihm die sowjetische Besatzungsmacht nahe, in Sonneberg den Aufbau der kommunistischen Partei zu organisieren: Er wird Verlagsleiter der Zeitung „Thüringer Volk". Ab Februar 1946 ist er Kreisvorsitzender der KPD, später der SED. Nach einigen Lehrgängen an der Parteihochschule geht er im Januar 1947 als Sekretär des Sekretariats in den Landesvorstand der SED nach Weimar. Im Sommer 1947 setzt er an der Universität Jena sein unterbrochenes Studium fort, welches er im April 1948 mit dem Grad eines Doktors der Erziehungswissenschaft Dr. päd. abschließt. In Jena erfolgt seine Anstellung als Lehrbeauftragter, seine Berufung zum Dozenten und schließlich 1950, nach erfolgreicher Habilitation, seine Ernennung zum Universitätsprofessor für Dialektischen und Historischen Materialismus an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät. Klaus bekleidet neben diversen Funktionen an der Universität (Dekan, Prorektor, SED-Betriebsgruppe, Friedensrat etc.) ab etwa 1950 das Amt des Präsidenten der Sektion Schach der DDR. Das einzige dazu bislang gefundene Dokument stellt eine 1950 als Manuskript gedruckte Broschüre mit dem Titel „Die Aufgaben der Sektion Schach beim Aufbau des Sozialismus in der DDR" dar. Auf der konstituierenden Präsidialtagung der Sektion Schach der DDR am 9. und 10. Mai 1953 in Jena hält Georg Klaus „ein mit großem Beifall aufgenommenes, richtungsweisendes Referat" zum Thema „Die Aufgaben der Sektion Schach beim Aufbau der DDR". Er veröffentlicht eine ausführliche Version dieses Referates wenig später. Der vielbeschäftigte Philosophieprofessor Georg Klaus verwendet wegen seiner starken Arbeitsbelastung nur wenig Zeit für die Verbandsarbeit und zur aktiven Turnierteilnahme kommt es ebenfalls kaum noch. Immerhin gibt er an, an einem Schachlehrbuch vom Standpunkt des dialektischen und historischen Materialismus zu arbeiten. Es scheint nach bisherigem Wissen jedoch nicht fertiggestellt worden zu sein. Die Verbandsarbeit leidet auch wegen seiner angeschlagenen Gesundheit. Auf der Arbeitstagung der Sektion Schach der DDR am 25. und 26. Juli 1953 läßt sich der im Urlaub befindliche Präsident von Bruno Ullrich vertreten. Zum 24. FIDE-Kongreß in Schaffhausen/Schweiz 1953 reisen als Delegierte Georg Klaus und Bruno Ullrich. Anläßlich der Tagung findet ein Blitzturnier der Präsidenten der nationalen Schachvereinigungen statt, bei dem neben Georg Klaus auch der Vertreter Argentiniens Castellis und Bruno Ullrich unter den 11 Teilnehmern mit je 9 Punkten die ersten drei Plätze belegen. Den Stichkampf gegen Castellis entscheidet Klaus mit 2:0 Punkten für sich, Bruno Ullrich verzichtet daraufhin auf seine Teilnahme. Den bereits in Zusammenhang mit Edith Keller erwähnten Länderkampf DDR - Bulgarien vom 2. bis 11. Oktober 1953 in Sofia leitet Georg Klaus als Mannschaftskapitän, nimmt jedoch nur als Vertreter für Edith Keller-Hermann an einer Partie teil und erreicht gegen den 19-jährigen Atanas Kolarov ein Remis. Abgesehen von einer bekannt gewordenen Bitte, zukünftig alle Zuschriften in Schachangelegenheiten nicht an seine Privatadresse, sondern an das Generalsekretariat zu senden, tritt Georg Klaus nach seiner Berufung an die Humboldt-Universität zu Berlin nicht mehr nachweisbar für die Sektion Schach in Erscheinung. Auf der konstituierenden Arbeitstagung des Präsidiums der Sektion Schach am 22. und 23. Mai 1954 in Leipzig erfolgt seine Entpflichtung als Präsident. Nachfolger wird Adolf Pawlitta. Zur Arbeit des bisherigen Präsidiums findet der Berichterstatter Weinitschke in Schach Nr. 8, 1953, nur wenige schmeichelnde Worte: „Zwar sind die wissenschaftlich grundlegenden, auf dem Boden des Materialismus stehenden Ausführungen des bisherigen Präsidenten, Prof. Dr. Georg Klaus, Berlin, eine bemerkenswerte Neuschöpfung von Betrachtungen über das Schachspiel, die breitesten Kreisen zugänglich gemacht werden müssen, doch damit erschöpfte sich bereits die Tätigkeit des Präsidenten. Daran ändert auch nichts die oftmals erfolgte Delegierung ins Ausland, von denen weder die Präsidiumsmitglieder noch die große Zahl der Schachsportler irgend welche Auswirkungen verspürten oder Anregungen für ihre weitere Arbeit erhielten. Von seinem letzten Besuch in Moskau, anläßlich des Weltmeisterschaftskampfes Smyslow-Botwinnik, hat die Sektion noch keinen Bericht erhalten, welcher nutzbringend ausgewertet werden könnte. Diese Nebenfunktion des stark mit wichtigen Arbeiten an der Humboldt-Universität beschäftigten Professors konnte natürlich nicht befriedigen. Sie erbrachte aber immerhin wieder einmal die Erkenntnis, daß nicht allein Name und Stellung in jedem Falle für alles bürgt." Von nun an verlieren sich die Spuren des aktiven Schachspielers und Schachfunktionärs Georg Klaus. In seinen unzähligen Publikationen zieht er dennoch gerne Beispiele aus dem Schachspiel zur Verdeutlichung logischen Denkens heran, am deutlichsten demonstriert in seiner Abhandlung über Emanuel Lasker in Zusammenhang mit seinen Arbeiten zur Spieltheorie. Eine sehr persönliche Komponente enthalten seine Ausführungen zum Strategiebegriff innerhalb der Spieltheorie, wenn er zur Verdeutlichung der Thematik die Abbildung einer Schach-Meisterpartie neben jene einer Karte der Schlacht bei Kursk 1943 plaziert. Am Rande der XVI. Mannschafts-Weltmeisterschaft der Studenten im Schach in Dresden (1. bis 17. August 1969), kommt es zum vorläufig letzten direkten Verweis auf Georg Klaus’ Beziehung zum Schachspiel. In einem Interview mit dem Presseleiter der WM, Klaus Metscher, gibt Klaus Auskunft über seine Einstellung zum Schachspiel. Dabei wird erwähnt, daß Klaus selbst jahrelang ein ausgezeichneter Schachspieler war. Dieses Interview wird leicht verändert in drei verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht.

Der auch international hochgeachtete Philosoph Georg Klaus stirbt am 29. Juli 1974 nach langjähriger schwerer Krankheit im 61. Lebensjahr.

Fritz Hoffmann, Weißenfels, teilt mit, daß 1987 von der Zeitschrift URANIA in Ost-Berlin ein Georg-Klaus-Gedenkturnier anlässlich dessen 75. Geburtstag veranstaltet wurde. Es handelte sich dabei um ein Thematurnier im Problemschach. Es war das dritte der drei von der URANIA organisierten internationalen Thematurniere (1980, 1984 und 1987). Hoffmann leitete von 1978 bis 1991 die Schachkolumne der URANIA. Am Gedenkturnier beteiligten sich 56 Autoren aus 18 Ländern mit 110 Kompositionen.

Es ist uns bislang kein gutes Photo von Klaus bekannt. Wer kann ein solches beisteuern?

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

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