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145. In eigener Sache Den Lesern, die noch keine Kenntnis der erstmals im August 1994 in der Schachzeitung Deutsche Schachzeitung/Schach-Report (Hollfeld) und ab Januar 1997 in Deutsche Schachzeitung/Schach (Berlin) erschienenen Schach-Zettel haben, möchten wir an dieser Stelle nur ganz kurz die Zielsetzung unserer Rubrik darlegen und dabei gleichzeitig um zahlreiche Mitarbeit bitten. Es war unseres Wissens der Franzose Gaston Legrain, der als Erster in numerierter Abfolge schachlich interessante Aspekte thematisierte. Unter der Überschrift "Les Curiosités de L'Échiquier" (Die Ungewöhnlichkeiten des Schachbretts) publizierte er in seinen ab 1925 alle drei Monate erscheinenden "Les Cahiers de L'Échiquier Francais" (Die Hefte des französischen Schachbrettes) in losem Zusammenhang eben die Neuigkeiten des Schachs, die auch uns heute interessieren. Schach-Zettel möchte für den interessierten Schachspieler und Schachliebhaber interessante Aspekte des Schachs, die sonst allzu leicht in Vergessenheit geraten könnten, aufgreifen und eine Plattform zu deren Diskussion liefern. Dabei mag es in der Zukunft möglich sein, Zettel gleicher Thematik längsschnittartig über die Zeit hinweg zu bündeln und in einer eigenständigen Publikation zusammenzufassen. In der Vergangenheit gelang es uns bereits dank der Mithilfe zahlreicher Schachfreunde erfolgreich, bislang nicht bekanntes, schachhistorisch wichtiges Material an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch in der neuen Umgebung des Internets sind weiterhin Beiträge aller Art, so sie Fragen, Antworten, Anmerkungen, Vorschläge, Kritik oder sonstige das Schach betreffende Themen beinhalten, erwünscht. Wie bisher werden wir versuchen, ein Forum zu liefern. Dabei wird die Einwilligung in die Publikation im Rahmen der „Schach-Zettel" vorausgesetzt, ansonsten bitten wir, dem ausdrücklich zu widersprechen. Schach-Zettels Traum, in Anlehnung an den großen Arno Schmidt, ist dabei eine möglichst rege und engagierte Teilnahme der Leser. Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de 146. Paul Keres 1942 Die Position von Keres im europäischen Schachleben der 30er und 40er Jahre und deren Beurteilung ist Gegenstand der rezenten Schachgeschichtsforschung. Paul Keres Entwicklung ist von nicht unerheblichen Interesse für die Beurteilung der Entwicklung des Sowjetschachs nach dem Krieg. Spekulieren kann man insbesondere darüber, inwieweit Keres’ schachliche Aktivitäten während des Zweiten Weltkrieges in den Augen der Sowjets kompromittierenden Charakter haben konnten und ihn, den Angehörigen eines baltischen Staates, der in der Folge des von Deutschland verlorenen Zweiten Weltkrieges seine nationale Selbständigkeit verloren hatte, zum Spielball sowjetischer Schachfunktionäre werden ließen und auf seinem Wege zur Weltmeisterwürde behinderten. Igor Zdanov, Riga, sendet uns die folgende, bislang noch nicht veröffentlichte Beratungspartie von Keres aus dem Jahre 1942. Wie Friedrich Löchner, Heilbronn, über dessen Vermittlung wir den Brief Zdanovs erhielten, mitteilt, hat Igor Zdanov u.a. 1991 das Internationale Senioren-Open (36 Teilnehmer aus acht Nationen) in Heilbronn gewonnen. Zdanov schreibt in fehlerfreiem Deutsch: „In meinen alten Papieren habe ich eine interessante Partie gefunden. In den Kriegsjahren war ich einige Zeit als ‘Schachreferent’ bei der lettischen Berufsverbandorganisation ‘Erholung durch Lebensfreude’ (ähnlich der Organisation ‘Kraft durch Freude’ in Deutschland). Ich organisierte verschiedene Turniere und andere Veranstaltungen. Das Schachleben war damals ganz rege. Im Jahre 1942 lud ich den Großmeister Paul Keres nach Riga ein. Dabei half mir wesentlich der Leiter der Schachspalte der ‘Deutschen Zeitung im Ostland’, A. Schwarz. In dieser Zeit war das alles nicht so einfach. Transport, Unterkunft, Verpflegung usw.. Das Interesse der Rigaer Schachspieler war sehr groß. Es gab mehrere Simultanveranstaltungen, darunter auch eine gegen zehn der stärksten Spieler Rigas mit Zeitkontrolle. Keres gewann neun und verlor nur eine Partie - gegen mich. Etwas unbeachtet blieb aber eine andere Konsultationspartie. Keres spielte mit zwei deutschen Schachspielern gegen mich und drei Rigaer Meister. Es gelang uns diese Partie zu gewinnen." Wir bringen im folgenden die mit Igor Zdanovs Kommentaren versehene Konsultationspartie aus dem Jahre 1942.
147. Damiano, Editio princeps 1512 Das Schachbuch des Apothekers Damiano aus Odemira in Portugal (Questo libre e da imparare giocare a scachi et de la partite, Rom 1512) gehört zu den ältesten Schachbüchern des neuen, modernen Schachs, die auf uns gekommen sind. Insgesamt sind im 16. Jhdt. acht verschiedene Ausgaben (I. Ausgabe = 1512; II. Ausgabe = 1518; III. Ausgabe = 1524; IV. Ausgabe = 1. undatierte; V. Ausgabe = 2. undatierte; VI. Ausgabe = 3. undatierte; VII. Ausgabe = 4. undatierte; VIII. Ausgabe = 1564), bekannt, wobei die erste Ausgabe seit einer gründlichen und sorgfältigen Arbeit von Ross Pinsent, die dieser im British Chess Magazine, Juni 1906 (S. 229-239) veröffentlichte, in das Jahr 1512 gelegt wird. Wie auch Lucenas um 1497 gedrucktes Büchlein, stellt jede Ausgabe des Damiano für den bibliophilen Schachbuchsammler eine sehr gesuchte Rarität dar. Adriano Chicco, Italien, gab im Rahmen eines Aufsatzes mit dem Titel Le Edizioni Italiane del Libro di Damiano in der Bibliophilen-Zeitschrift L’Esopo, Rivista Trimestrale di Bibliofilia im Juni 1984 (S. 46-58) eine Aufstellung sämtlicher in der Welt bekannten Exemplare der Editio Princeps von 1512. Insgesamt nennt Chicco sieben Orte, an denen er Exemplare lokalisiert. Und zwar in der Bibliothek des British Museum in London, der National Bibliothek in Wien, der Universitäts-Bibliothek von Salamanca, der Kommunal-Bibliothek von Barcelona, der Königlichen Bibliothek in Den Haag und der Öffentlichen Bibliothek von Cleveland. Das siebte Exemplar sah Chicco in Bamberg in der Bibliothek von Lothar Schmid. Er konnte damals nicht wissen und Schmid hat es ihm anscheinend nicht offengelegt, daß jenes Exemplar eine Leihgabe des mehrfachen Gewinners der französischen Schach-Meisterschaft und Schachbuchsammlers André Muffang war. Muffang trug in seinem langen, mehr als neunzig Jahre währenden Leben eine beachtliche Schachbuch-Sammlung zusammen. Wie uns der Sohn von Muffang seinerzeit im Jahre 1990 mitteilte, unterhielt André Muffang sehr gute Verbindungen auch zu Meindert Niemeijer, Wassenaar, der ihm so manch seltenes Schachbuch und hier unter anderem auch sein Doppelexemplar der Editio Princeps des Damiano überlassen hat. Muffangs Sammlung gelangte nach seinem Tode im Juni 1991 im Pariser Auktionshaus Drouot zur Versteigerung und wurde in alle Welt verstreut. Darunter befand sich auch der Damiano aus dem Jahre 1512, der für 85.000,- FF i.e. 26.000,- DM plus 6,151 % Aufgeld, d.h. 27.600,- DM dem Amerikaner de Lucia zugeschlagen wurde. Es war das bislang einzige (mithin achte) Exemplar, das sich noch in privaten Händen befindet. Umso erstaunter waren wir, als wir in dem Katalog zu einer Auktion des Auktionshauses Christie’s, London, die am 27. November 1996, stattfinden sollte, eine erste Ausgabe des Damiano (das mithin achte Exemplar) entdeckten. Der Schätzpreis war auf 8.000,- bis 12.000,- englische Pfund gelegt worden. Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen nach London aufzubrechen, um das seltene Buch in den Händen zu halten und es zu ersteigern. Der Auktionator steigerte in 1000.- Pfund-Sprüngen und unser Budget schmolz binnen Sekunden dahin. Dennoch - wir konnten bei 8000.- englischen Pfund einsteigen und unser erstes Gebot abgeben. Bis dahin hatte der Auktionator schriftliche Gebote vorliegen. Leider mußten wir als Unterbieter jedoch zusehen, wie ein uns nicht bekannter Telefonbieter das Buch für 20.000,- engl. Pfund i.e. 51.000,- DM plus 15 % Aufgeld, das sind etwa 58.650,- DM, ersteigerte. Dies entspricht etwa einer Verdoppelung des seinerzeit in Paris 1991 erzielten Kaufpreises. Nachdenklich verließen wir den Auktionssaal. Es wird uns in diesem Leben kein Damiano mehr begegnen. Wie gut, daß wir da in einem kleinen und verstaubten Antiquariat in der Altstadt von London sinnigerweise eine seltene Ausgabe von Robert Burtons berühmter Anatomy of Melancholy fanden, in der auch eine Schachstelle vorkommt, die uns Trost spendete: „Chess-play is a good and witty exercise of the mind for some kind of men, and fit for such melancholy, Rhasis holds, as are idle, and have extravagant impertinent thoughts, or troubled with cares, nothing better to distract their mind, and alter their meditations ... .". Doch eine Frage stellt sich der ehrgeizige Sammler dennoch: Wer war der geheimnisvolle Bieter am Telefon? Nun, heute wissen wir, daß der geheimnisvolle Bieter Lothar Schmid aus Bamberg war, dem eben diese Ausgabe des Damiano noch gefehlt hatte. Er hatte die Leihgabe des André Muffang den Erben nach dessen Tod (siehe oben) zurückgeben müssen (nicht ganz freiwillig übrigens, wie mir der Erbe mitteilte). Was wäre gewesen, wenn Schmid sich mit uns abgesprochen hätte? Der Damiano wäre dann für 8000.- engl. Pfund zu haben gewesen. Mithin eine Ersparnis von 12.000.- Pfund!! “Damiano,
Editio princeps 1512-The Chess book of the chemist Damiano from Odemira in
Portugal (Questo libro e Daim Parare Giocarea Scachi et de le Partite, Rome
1512) belongs to the oldest chess books of the new, modern chess, which have
reached us. In total eight different edition in the 16th century are
known (1st edition = 1512; 2nd edition = 1518; 3rd
edition = 1524; 4th edition = 1st undated; 5th
edition = 2nd undated; 6th edition = 3rd
undated; 7th edition = 4th undated; 8th edition
= 1564) where the first edition was dated for the year 1512 following the
thorough and careful work by Ross Pinsent, which he published in BCM June 1906(
p 229-239). Just like the ca 1497 date printed booklet by Lucena, each edition
of Damiano is keenly sought by the chess book collector for rarity. Adriano
Chicco of Italy gave, as part of an essay with the title “Le edixione italiane
del Libro di Damiano” in the magazine for bibliophiles “L’Esopo, Rivista
Trimestrale di Bibliofilia” in June 1984 ((p.46-58) a list of all known copies
of the 1512 ‘Editio Princeps’ in the world. In total Chicco mentions seven
places, in which he found copies. To be precise in the Library of the British
Museum in London, the National Library in Vienna, the University Library of
Salamanca, the Municipal Library of Barcelona, the Royal Library in The Hague
and the Cleveland Public Library. The seventh copy Chicco saw in Bamberg in the
library of Lothar Schmid. At
that time he could not know, and Schmid obviously did not tell him, that that
copy was a loan of the multiple winner of the chess championship of France and
collector of chess books, Andre Muffang. Muffang collected during his long, more
than ninety years life, a considerable chess book collection. As Muffang’s son
told us at the time (in 1990). Andre Muffang kept up very good connections with
Meindert Niemeijer of Wassenaar too, who had left him quite a lot of rare chess
books, including his duplicate copy of the “Editio Princeps’ of Damiano.
Muffang’s collection came after his death in June 1991 at an auction in the
Auction House Drouot in Paris and was scattered around the world. This included
the 1512 Damiano, which was knocked down to the American De Lucia for
85,000f,i.e. DM 26,000, plus 6.151% premium, that is DM 27,000. It was for a
long time the only (and in total the eighth known copy) copy still in private
possession. Therefore
we were really astonished, when in the catalogue of an auction of the Auction
House of Christie in London, which would take place on 27 November 1996, we
discovered a first edition Damiano (which would be the ninth copy). The
estimated price was set at 8,000 to 12,000 English pounds. We could not resist
the temptation to travel to London in order to hold this rare book in the hand
and to bid for it. Unfortunately as underbidders we had to look on (the
auctioneer increased the bids in jumps of 1000 pounds and our budget melted away
in seconds), how a bidder by telephone, whom we did not know, obtained the book
for £20,000, i.e. DM 51,000 plus 15% premium, which is about DM 58,650. This
corresponds to a doubling of the Paris purchase price. We left
the auction room thoughtful. We will not again meet a Damiano in this
life. We were lucky that we found in a small dusty second hand bookshop in an
old part of London a rare edition of Robert Burton’s famous “Anatomy of
Melancholy”, in which also a sentence appears, which offered us some
consolation:- “Chess-play is also a good and witty exercise of the mind for
some kind of men, and fit for such melancholy, Rhasis holds, as are ideal, and
have extravagant impertinent thoughts, or troubled with cares, nothing better to
distract their mind, and alter their meditations….” But one question remains
for the ambitious collector:- “Who was the secret bidder at the telephone?” It was Lothar Schmid, Bamberg. How great and intelligent it would have been if we had talked about the issue. The book could have been obtained for not more than 8000.- engl. pounds!!! Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de
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