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162. Napoleon Bonaparte

Es bereitet uns immer wieder körperliches Unwohlsein, wenn selbsternannte Schachhistoriker, verdienstvollen Fackelträgern der Schachgeschichte nacheifernd, Artikel ohne exakte Quellenangaben verfassen. Immer wieder werden beispielsweise Schachstellen erwähnt, in denen berühmte Persönlichkeiten mit dem Schach in Berührung gekommen sind, ohne daß dabei jedoch die entsprechenden Fundstellen korrekt nachvollziehbar dokumentiert werden. Allzuleicht wird dabei das Wort Geschichte ohne Quellen ist keine Wissenschaft vergessen. Die unglückliche Angewohnheit führt unter anderem aber auch dazu, daß andere Autoren, beispielsweise bei der Abfassung von extra-kniffligen Preis-Rätseln, in’s anekdotische Niemandsland abzurutschen drohen und insgesamt einer Pseudowissenschaft Vorschub leisten, welche weiterem fundierten Erkenntnisgewinn im Wege steht. Wir möchten deshalb versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen und einige kleinere Angaben zu zwei Größen der Geschichte, nämlich Napoleon Bonaparte und Johann Christoph Friedrich Schiller, machen.

Oft werden Napoleon Bonapartes schachliche Aktivitäten auf der Insel St. Helena erwähnt. Eine fundierte und authentisch verbürgte Stelle findet sich in Las Cases, Mémorial de Sainte-Hélène, Éditions Garnier Frères. Paris 1961, Band 1, S. 83. Napoleon war von den Engländern von der Bellérophon auf die Northumberland verbracht worden und befand sich auf dem Weg nach St. Helena. Im Tagebuch heißt es bei Las Cases, der als treuer Begleiter den Kaiser nach der erzwungenen Abdankung in die Verbannung folgte und als verläßlicher Biograph gilt, mit Datum Dienstag, den 22 bis Samstag, den 26. August 1815, das Schiff befand sich gerade in der Nähe von Madeira (unsere Übersetzung, HEB):

„Nichts unterbrach die Eintönigkeit unserer Momente; jeder Tag ging langsam im Detail vorbei und vergrößerte eine Vergangenheit, die, insgesamt betrachtet, uns kurz erschien, weil sie ohne Farbe war und nichts Besonderes darstellte.

Der Kaiser hatte den Kreis seiner Zerstreuungen durch das Piquet-Spiel vergrößert, das er ziemlich regelmäßig gegen drei Uhr spielte. Diesem Piquet-Spiel folgten einige Partien Schach mit dem Groß-Marschall, Monsieur de Montholon oder einigen anderen, woran sich das Abendessen anschloss. Es gab auf dem Dampfer niemanden, der sehr stark im Schachspiel war und der Kaiser spielte ebenfalls nur schwach; er gewann gegen die Einen und verlor gegen die Anderen, was ihn eines Abends veranlaßte zu sagen: Wie geschieht es, daß ich sehr oft gegen die verliere, die niemals gegen andere gewinnen, gegen die ich jedoch fast immer siege? Stellt dies nicht einen Widerspruch dar? Wie kann man dieses Problem lösen? sagte er mit Augenzwinkern, um zu zeigen, daß er nicht auf die wiederholte Galanterie dessen hereingefallen war, der eigentlich der Stärkste war.

Am Abend spielten wir nicht mehr Zwanzig und Eins; wir hatten es unterbrochen, da wir die Einsätze zu hoch getrieben hatten, was dem Kaiser, einem starken Gegner des Spiels, mißfallen hatte. Nach der Rückkehr von seinem Spaziergang auf der Kommandobrücke, nach dem Abendessen, spielte Napoleon noch zwei oder drei Partien Schach und zog sich dann zu sehr früher Stunde zurück".

Wir können es uns an dieser Stelle nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, daß Napoleon schon immer und regelmäßig sehr früh zu Bett gegangen war, während seine Frau Joséphine (1763-1814) die Nächte in großem Luxus durchfeierte.

163. Friedrich Schiller

Eine Schach-Stelle findet sich in dem Aufsatz Das Spiel in strengster Bedeutung, den Schiller als Herausgeber von Die Horen im Jahrgang 1795, Fünftes Stück, S. 57-89 publizierte (Fotomechanischer Nachdruck Wussenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1959, S. 545-577). Verfasser des Aufsatzes ist aber nicht Schiller gewesen, sondern Friedrich August Weisshuhn (1759-1795), Privatdozent an der Universität Jena und Universitätsfreund Fichtes. Das Manuskript gelangte nach dem Tode Weisshuhns Ende April 1795 über Immanuel Niethammer an Schiller.

Weisshuhn schrieb in teilweise schwer verdaulichem Deutsch, das bereits Körner in einem Brief an Schiller zu der Bemerkung veranlaßte: „Das Spiel ist hier fast zu ernsthaft behandelt. An geistvollen Ideen fehlt es nicht; aber die Form hat eine abschreckende Trockenheit." Eine Passage lautet:

"Dem Schachspiele, worinn der Zufall unmittelbar gar nichts zu thun hat, und wozu noch ausserdem ein namhafter Umfang der Kraftanwendung erforderlich ist, diesem Spiele, das, nach Herrn Gotters gründlicher Deduktion . . . „aus Übermuth

„Ein Schach, der nichts bedurft’, als Arbeit einst erfunden;" . . .

würde, um ganz Arbeit zu seyn, nichts als der äussere Zweck fehlen, wenn nicht mittelbar der Zufall dadurch wieder ins Spiel gezogen wäre, daß die Rolle desselben einem Mitspieler zugetheilt ist, der durch seine unbestimmten Pläne den unsrigen eine Diversion macht, um die Thätigkeit des Verstandes doch einigermaßen frey und lebendig zu erhalten.

Also der Zufall bringt Leben ins Spiel, und nur durch seinen Beytritt ist der Zweck des Spiels, nämlich Genuß aus freyer Thätigkeit der Kräfte, erreichbar.

Nur muß der Zufall dem Spiele selbst einverleibt seyn, und nicht wie beym Schach und allen Verstandesspielen, erst durch den Antagonismus eines Mitspielers hineingezogen werden. Denn sonst wird aus dem Spiele schon etwas Erzwungenes; eben weil die spielende Thätigkeit nicht bloß unmittelbar, durch die unstäten Wendungen des Spiels, sondern auch mittelbar, durch den Ehrgeiz einen Gegner zu besiegen, geregt wird. Thätige Kraft bleibt zwar noch im Spiele; aber es ist auch Leidenschaft (Ehrgeiz) darinn, die sie anstrengt, und also mit ihr, sein Spiel treibt. Die öffentlichen Wettspiele haben diesen Fehler, begreiflicher Weise, in einem noch höheren Grade. Daher sind sie für die Combattanten so wenig wahre Spiele, daß sie es nicht einmal für die Zuschauer sind:

„Siehst du nicht, wenn die Wagen geflügelten Kampf in das Feld hin
„Stürzen, und ungestüm den geöfneten Schranken entrollen,
„Wenn die Hoffnung gespannt in der Jünglinge klopfendem Herzen
„Wühlt, und pochende Angst? Sie drohn mit geschwungener Geisel
„Vorwärts, die Zügel gelößt, mit Gewalt stürmt glühend die Axe.
„Jetzo gesenkt und jetzo erhöht, erscheinen sie schwebend
„Durch die Oede der Luft, und emporgetragen zum Himmel;
„Nirgends ist Rast noch Verzug! Ein Gewölk des gelblichen Sandes
„Steigt, und sie feuchtet den Schaum, und dampfender Hauch der Verfolger.
„Solch’ ist die Liebe des Ruhms, so brennend der Durst des Triumphes.

Weisshuhn endet klarsichtig mit einem Wort, daß in unserer Zeit, in der die „Versportung" des Schachs weit vorangeschritten ist, mehr denn je Geltung hat:

"Welche Arbeit kann anstrengender seyn, als solche Spiele sind!"

164. Schach ist Sport

Die Frage, ob denn Schach Sport sei, ist eine zunehmend wichtige Frage geworden, bemessen sich doch die Zuwendungen öffentlicher Gelder an der (positiven) Beantwortung dieser Frage. Seit den Bemühungen des DSB Präsidenten Alfred Kinzel und des den Problemen der deutschen Schachfreunde offenherzig gegenüberstehenden FDP-Politikers und damaligen Präsidenten des Deutschen Sportbundes Willy Weyer Ende der siebziger Jahre ist Schach in Deutschland offiziell als Sport anerkannt, weshalb den Vereinen öffentliche Gelder zur Verfügung stehen, die sie zur Weiterentwicklung nutzen können.

Die finanzielle Unterstützung durch die Industrie jedoch orientiert sich immer mehr nach den Kriterien des The Winner takes it all. So erhalten im Tennis, um nur ein Beispiel zu nennen, die Sieger alles und die Verlierer fast nichts und auch nach den Turnieren verdienen nur die Stars das wirklich gute Geld. Das wird zusätzlich noch durch die derzeit überall spürbare Globalisierungstendenz befördert. Im Schach hat Garry Kasparow dieses Prinzip etabliert und dabei durch die Gründung des privaten Geschäftsvereines PCA auch nicht davor zurückgeschreckt, die FIDE damit möglicherweise zu zerstören. Zusätzlich konzentriert sich das sogenannte Sponsoring fast ausschließlich auf die mediengerechten Sportarten wie Tennis, Fußball und Motorsport, weshalb der Sportförderung in Deutschland durch Bund, Länder und Gemeinden im Interesse der Förderung unserer Jugend und unseres Vereinslebens eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Andere Länder sind da in einer weniger glücklichen Position: Die Schachfreunde in Österreich beispielsweise sind nicht Mitglied in ihrer nationalen Sportorganisation und ausnahmsweise mag es hier einmal felix tu Germania heißen.

Die Frage nach dem Wesen des Schachs und seiner Position in unserer Gesellschaft wird seit kurzer Zeit auch verstärkt im Internet diskutiert und die FIDE, die Bedeutung des Themas für ihr eigenes Überleben erkennend, hat derzeit eine großangelegte Propaganda-Aktion durch ihren langjährigen Schatzmeister Willy Iclicky mit dem Ziel auf den Weg gebracht, mittelfristig vielleicht auch in die olympische Sportbewegung aufgenommen werden zu können. Wie so oft bei ähnlichen Fragestellungen, sind bei der Beantwortung der Frage, ob Schach Sport sei, zunächst definitorische Probleme zu lösen. Was ist Sport? Insgesamt scheint uns, daß Schach in eher geringerem Maße die Kriterien einer Sportart erfüllt und das Bonmot gelten mag Sport ist, wenn man danach duschen muß. Wir wollen an dieser Stelle diese mehr semantischen Probleme jedoch nicht weiter ausführen, der Interessierte mag sich an einschlägiger Stelle selbst informieren, möchten jedoch - nicht ohne Augenzwinkern - einen, in heutiger Sicht fast medizinisch anmutenden Beitrag aus der Feder des amerikanischen Politikers, Naturwissenschaftlers und Schriftstellers (1706-1790) Benjamin Franklin anführen, der in den westlichen Wohlstandsgesellschaften mit der allenthalben meßbaren Vermehrung von Fetten (Hypercholesterinämie) und Harnsäure im Blut (Hyperuricämie) von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.

Wir zitieren aus einem Kapitel von Benjamin Franklin’s Leben und Schriften ..., Dritter Theil, Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1829, S. 124, wo es unter der Überschrift: Gespräch zwischen Franklin und der Gicht in dialogischer Form heißt:

Franklin: Weh! O Weh! Was hab’ ich gethan, um so grausame Schmerzen zu verdienen?
Gicht: Mancherlei; du hast zu unmäßig gegessen und getrunken, und diesen Beinen zu viel Ruhe gegönnt.
F.: Wer beschuldigt mich?
G.: Das bin ich, die Gicht selbst.
F.: Wie? Mein Feind in eigener Person?
G.: Nein, nicht dein Feind.
F.: Ich wiederhole es, mein Feind; denn du möchtest nicht allein meinen Leib zu Tode quälen, sondern auch meinen guten Namen vernichten, du wirfst mir vor, ein Fresser und Säufer zu sein, und doch wird Jeder, der mich kennt, einräumen, daß ich weder das eine, noch das andere bin.
G.: Die Welt mag von dir denken, was sie will; sie ist immer sehr gefällig gegen sich selbst und zuweilen auch gegen ihre Freunde; ich weiß aber sehr wohl, daß eine Portion Essen und Trinken, welche für einen Menschen, der sich angemessene Bewegung macht, eben hinreicht, für einen anderen, der sich gar nicht bewegt, viel zu groß ist.
F.: Ich mache mir - Au! Au! - so viel Bewegung - Au! - wie ich kann, Madame Gicht. Sie wissen, daß ich durch meine Geschäfte zum Sitzen genöthigt bin, und deßhalb, meine ich, könnten Sie mich wohl ein wenig verschonen, da Sie doch einsehen müssen, daß es nicht ganz meine eigene Schuld ist.
G.: Verschonen? Nicht im Geringsten. ... Aber laß uns einmal deine Lebensweise untersuchen. Was thust du in den Morgenstunden, die dir Muße gewähren, spazieren zu gehen? Anstatt durch wohltäthige Bewegung dir zum Frühstück Appetit zu verschaffen, vertreibest du dir die Zeit hinter Büchern, Flugschriften und Zeitungen, die gewöhnlich nicht des Lesens werth sind. Und doch nimmst du ein unmäßiges Frühstück ein, trinkst Thee mit Rohm und issest Butterbrod mit Rauchfleisch, lauter Dinge, die mir eben nicht leicht verdaulich scheinen. ... So vergeht der Vormittag, ohne alle körperliche Bewegung. ...; was treibst du aber nach dem Mittagessen? Verständige Menschen würden mit den Freunden, bei welchen sie zu Mittag aßen, in den schönen Gärten spazieren gehen; du hingegen ziehst es vor, dich an das Schachbrett zu setzen, wo man dich nach zwei oder drei Stunden noch finden kann. Das ist deine beständige Erholung, und gewiß für einen Mann von sitzender Lebensweise die unpassendste von allen, denn sie beschleunigt nicht nur nicht den Umlauf der flüssigen Substanzen, sondern erschwert ihn vielmehr durch die gespannte Aufmerksamkeit, die dabei erforderlich ist, und hemmt die innere Sekretion. Vertieft in die Spekulationen dieses unnützen Spiels, verdirbst du deine Konstitution. Was kann man bei einer solchen Lebensweise anders erwarten, als einen von stehenden Säften angefüllten Körper, der jeden Augenblick eine Beute der gefährlichsten Krankheiten werden könnte, wenn ich ihm nicht gelegentlich zu Hülfe käme, indem ich diese Säfte durch Schütteln reinige und zertheile? Wenn du in einem Winkel oder Gange der Hauptstadt nach dem Essen ein Weilchen Schach spieltest, so möchte sich das entschuldigen lassen; aber du folgst derselben Neigung in der Umgegend, an Orten, wo die herrlichsten Gärten sind, reich an lieblichen Promenaden, reiner Luft, schönen Frauen und eben so angenehmer als belehrender Unterhaltung, und wo du dich aller Dinge erfreuen könntest, wenn du spazieren gehen wolltest. Das verschmähst du aber, um des abscheulichen Schachspiels willen. Pfui, schäme dich, Franklin! Doch über meine Lehren hätte ich beinahe die Anwendung meiner heilsamen Besserungsmittel vergessen - ich muß dich wieder zwicken.
F.: Au! o weh! Au! Belehrung, so viel Ihnen beliebt, Madame Gicht, und auch Vorwürfe; aber die Strafen bitte ich zu verschieben.
G.: Nein, mein Freund, nicht das Geringste werde ich unterlassen, das zu deinem Besten gereicht; deshalb -
F.: Au! Au! - Es ist unbillig, wenn Sie sagen, daß ich mir keine Bewegung mache; ich fahre doch oft genug in meinem Wagen zum Mittagsessen aus und Abends wieder nach Hause.

...
G.: So möglich, daß es eine Thatsache ist. ... Im Sommer gingst du um sechs Uhr dahin. ... Ei nun, du machst dir das Vegnügen, dich auf die Anhöhe hinzusetzen, dich an der schönen Aussicht zu weiden und die Anlagen unter dir zu überschauen, ohne hinabzusteigen, und auch nur einen Schritt in denselben zu gehen. Im Gegentheil, du verlangst Thee und das geliebte Schachbrett, und siehe da, sitzend vertreibst du dir die Zeit bis neun Uhr Abends, obgleich du schon zwei Stunden Nachmittags gespielt hattest. Endlich, anstatt nach Hause zu gehen, steigst du wieder in deinen Federwagen. ...
F.: Jetzt bin ich überzeugt, daß der arme Richard Recht hat, wenn er sagt: ‘Unsere Schulden und unsere Sünden sind immer größer, als wir denken.’
G.: So ist es. Ihr Philosophen seid Weise in euren Grundsätzen und Thoren in eurer Handlungsweise.

...

Was die Quacksalber betrifft, die verachte ich; dich können sie vielleicht um’s Leben bringen, mir aber können sie nichts anhaben. Und die ordentlichen Aerzte sind endlich zu der Einsicht gelangt, daß in einem Subjekt, wie du bist, die Gicht keine Krankheit, sondern ein Heilmittel sei; und weshalb sollte man ein Heilmittel vertreiben? Also frisch an’s Werk -
F.: O! Au! Um des Himmels Willen, lassen Sie mich, ich will auch geloben, nie wieder Schach zu spielen, mir täglich Bewegung zu machen und immer mäßig zu sein.
G.: Ja, ich kenne dich! Ein Versprechen kannst du geben; kaum bist du aber ein paar Monat gesund gewesen, so sind die alten Gewohnheiten wieder da, und von den schönen Versprechungen weißt du nicht mehr, als von den Formen der Wolken, die vor einem Jahre vor deinen Augen vorüberzogen. So will ich denn für diesmal die Rechnung schließen und gehen, doch mit dem bestimmten Versprechen, dich zu gelegener Zeit wieder zu besuchen; denn dein eigenes Wohl ist mein Zweck, und du hast jetzt eingesehen, daß ich deine wahre Freundin bin.

165. Mieses und der Herr Doktor

Siegfried Tschinkel, Eschweiler, und Gerhard Menges, Oestrich-Winkel, teilen zu SZ 157 mit, daß der von Mieses angesprochene „Herr Doktor" ehestens der zuletzt in Bad Nauheim im Taunus ansässige Dr. Jakob Adolf Seitz (1898-1970) gewesen ist. Nach Angabe von Menges nahm Seitz als einziger Deutscher an dem von Mieses in seinem Schreiben erwähnten Turnier in Brighton 1938 teil. Seitz wandte sich insbesondere in den zwanziger und dreißiger Jahren dem Schachspiel zu und war u.a. im Jahre 1925 als Sekundant von Bogoljubow mit zum Turnier nach Moskau gefahren. Während der Kriegszeit gab Seitz in Argentinien die Schachzeitung Enroque heraus. Wir glauben, daß der schachliche Nachlaß von Seitz nach dessen Tod an den ebenfalls in Bad Nauheim ansässigen Schachbuch-Händler Heinz Löffler gegangen ist. Siegfried Tschinkel stellt eine Karte zur Verfügung, die Mieses am 22. Februar 1927 von Berlin aus an Seitz’s Londoner Adresse schickte:

"Lieber Herr Doktor!

Gestern kabelte ich Ihnen: „Warum keine Partie? habe Capablanca Spielmann erwartet." Diese Partie soll (nach Spielmanns Kabelbericht) eine kurze und interessante Remispartie gewesen sein. Offenbar haben Sie bisher noch keine Partie erhalten. Bringen die englischen Zeitungen Partien? Gerade bei Beginn des Turniers hätte ich sehr gern eine Partie gebracht. Ich sehe Ihrer telegrafischen oder brieflichen Mitteilung mit Interesse entgegen. Mit bestem Grusse Ihr

J. Mieses"

Mit der Partie Capablanca - Spielmann ist sicherlich die Erstrunden - Partie der beiden in New York am 19. Februar 1927 gemeint. Aljechin bringt die mit vorzüglichen Kommentaren versehene Partie in seinem berühmten Buch über New York 1927.

Nach einer Meldung der Deutschen Schachzeitung vom Mai 1970 (S. 167) starb Seitz auf der Bahnfahrt zwischen Basel und Biel an den Folgen eines akuten Herzinfarktes.









 

Capablanca, J - Spielmann, R [D38]
New York (1), 1927

1.d4 d5 2.Sf3 e6 3.c4 Sd7 4.cxd5 exd5 5.Sc3 Sgf6 6.Lg5 Lb4 7.Db3 c5 8.a3 Lxc3+ 9.Dxc3 c4 10.De3+ De7 11.Dxe7+ Kxe7 12.Sd2 h6 13.Lh4 b5 14.e4 g5 15.Lg3 Sxe4 16.Sxe4 dxe4 17.a4 La6 18.axb5 Lxb5 19.b3 Thc8 20.h4 a6 21.bxc4 Lxc4 22.hxg5 hxg5 23.Th6 Sf6 24.Ta5 Lb5 25.Lxb5 axb5 26.Txb5 Ta1+ 27.Kd2 Ta2+ 28.Kd1 Ta1+ 1/2-1/2

 

Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de

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