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27. Der ausgestopfte Schachmeister Michael Ehn, Wien, veröffentlichte in Carminati, A. (Hrsg.): Scacchi e Scienze Applicate, Fasc. 13, Venedig 1993, S. 10-11, die kuriose Geschichte des Mohren Angelo Soliman. Soliman an der Ostküste Afrikas um das Jahr 1721 geboren und von einem rivalisierenden Negerstamm an arabische Sklavenhändler verkauft, gelangte nach wechselvollen Jahren nach Wien an den Hof Josephs II. Soliman war ein guter Schachspieler und hatte es darin zu großer Fertigkeit gebracht. Dies in einer Zeit als das Schachspiel in Wien einen großen Aufschwung nahm und in der Spätphase dieser Epoche durch den „Philidor de l’Allemagne" Johann Baptist Allgaier (1763-1823) vertreten wurde. Soliman führte ein geachtetes Leben in der Wiener Gesellschaft, heiratete die verwitwete Frau von Christiani und widmete sich in seinen späten Lebensjahren ganz der Erziehung seiner Tochter Josephine, die später Frau des Hofrates Ernst von Feuchtersleben wurde. Die Fertigkeit gut Schach spielen zu können, nützte dem armen Mohren aber recht wenig. Denn er wurde nach seinem (natürlichen) Tode ausgestopft. Ein Zeitgenosse berichtet: „Über ihn wäre ferner noch zu vermelden: 1. dass ihm auf Befehl Kaiser Franz II. im Jahre 1796 die Haut über die Ohren gezogen, 2. dass diese Haut auf Holz gespannt und so die frühere Gestalt Solimans täuschend ähnlich darstellend zehn Jahre lang zur öffentlichen Besichtigung ausgestellt" wurde. Alle Bitten und Gesuche der Tochter, den Vater nicht post mortem in so grausamer Weise zu verdinglichen, blieben vergebens. Ganz Wien eilte herbei, um den ausgestopften Schachmeister und Mohren zu besichtigen. Bei der Kanonade Wiens durch Alfred Fürst zu Windischgrätz traf eine verirrte Kanonenkugel am 31.10.1848 den Raum des zoologischen Museums, in dem der ausgestopfte Mohr und Schachmeister stand. Er ging sofort in Flammen auf. Eine typische Geschichte aus Wien, wie der Wiener Michael Ehn, meint. Gibt es, so hakt Ehn nach, weitere Beispiele von ausgestopften Schachmeistern? Vielleicht bei arabischen Potentaten oder indischen Fürsten der Mogulzeit?! 28. CCI - Chess Collectors International Der Kreis um die CCI-Deutschland Chefs Franz Lang, Kelkheim, und Dr. Thomas Thomsen, Königstein, hat sich, primär ausgehend von schachspiel- und schachfigur-sammlerischen Gesichtspunkten weitgehend der Suche nach dem Ursprung des Schach verschrieben und dabei trotz der insgesamt äußerst schwierigen Quellenlage gute Arbeit geleistet (siehe u.a. Calvo, Ricardo: Der Musiker, der das Schachspiel brachte. In: Schach-Journal, Nr. 1/1993, Edition Marco Arno Nickel, Berlin 1993, S. 87-93). In der sogenannten Königstein-Gruppe, die sich im Domizil von CCI-Deutschland Chef Dr. Tom Thomsen, Königstein (Onkel Tom’s Hütte), erstmals im Jahre 1991 traf, forschen in bewundernswerter Dynamik Alt-Kader und Alt-Stalinisten aus der ehemaligen Sowjetunion und Mitteldeutschland gemeinsam mit Idealisten reinster bürgerlicher Prägung in losem Zusammenhang, aber einer in unseren Tagen selten gewordenen kommunistisch-kapitalistischen Eintracht nach den Quellen des Schach. Schach ist eben doch systemübergreifend. Dennoch besteht die Gefahr, daß die Jünger von Chess Collectors International sich zunehmend im esoterischen Nirwana einer trüben, molekularen Urschach-Suppe verlieren und - vom Wege abkommend - nach dem Stein der Weisen suchen, den es, wie wir seit der Aufklärung wissen, nicht gibt und nicht geben kann. Da mag es denn profan erscheinen, daß uns während eines Besuchs in Halle in der Nähe des „von englischen und deutschen Freunden" erstellten Denkmals für Georg Friedrich Händel auf der Moritzburg eine Bronze-Figur des Expressionisten Hans Arp mit der Bezeichnung „Gur" von 1963 auffiel. Die Figur hat durchaus Ähnlichkeit mit einem Schachturm. 29. Schach in harten Zeiten - Le Lionnais Francois Alexandre Le Lionnais (*3.10.1901 +13.3.1984) ist außerhalb Frankreichs insbesondere als Co-Autor des Dictionnaire des Échecs (Presses Universitaires de France, Paris 1974) bekannt geworden. Weniger bekannt dürfte Le Lionnais als Kämpfer im französischen Widerstand sein. In dem Buch des Resistance-Kämpfers Gilbert Renault, genannt Rémy: Autour de la plage Bonaparte, Libraire Académique Perrin, Paris s.a. (1969), das uns durch unseren Freund Dr. Jean Mennerat, Frankreich, verfügbar gemacht wurde, wird Francois Le Lionnais unter dem Titel Le Joueur d’Echecs (Der Schach-Spieler) ausführlich gewürdigt. S. 294 f. berichtet Le Lionnais wie er im Gefängnis für seinen Wärter ein Schachbuch schrieb, um an Papier zu kommen. Francois Le Lionnais wurde nach seiner Gefangennahme durch die Gestapo in Paris zunächst in das Gefängnis in Fresnes gebracht und war ständigen Verhören ausgesetzt, sodaß er zur Vorbereitung und Abstimmung seiner Verteidigung mit Mitgefangenen dringend Papier benötigte. Er versprach seinem Gefängniswärter, einem Feldwebel der Wehrmacht, ein Schachbuch zu schreiben, das dieser dann frei verkaufen könne. Solcherart etwa Ende Juli 1944 an Papier gekommen, begann er, an einem Schachbuch zu schreiben und wurde dafür von seinem Wärter von den Handschellen, die er drei Monate ununterbrochen hatte tragen müssen, befreit. An diesem Tag, so erinnert sich Le Lionnais, rekonstruierte er für sein Buch die berühmte Partie Steinitz - Bardeleben Hastings 1895, aus dem Gedächtnis. Das Manuskript des Schachbuches war in der ersten Augustwoche fertiggestellt. „Wie soll ich mein Werk betiteln?", fragte Le Lionnais den Feldwebel und schlug Le Laboratoire des Échecs vor. Der Feldwebel, nur schlecht französisch sprechend, antwortete: "Ja, Ja! Labyrinthorium! Schön! Sehr gut!". Diesen Namen fand Le Lionnais nicht schlecht und so nannte er sein kleines Werk Le Labyrinthe des Échecs. „Möchten Sie, daß ich eine Widmung anbringe?", fragte Le Lionnais den Feldwebel und erkundigte sich nach dessen Namen. Dieser antwortete, er heiße Hess. „Ah, wie Rudolf Hess?" „Jawohl! Das ist mein Cousin." Nach seiner Rückkehr aus dem Konzentrationslager in Buchenwald Im Mai 1945 (Bulletin de la Fédération Francaise des Échecs. Mai-Juin Paris 1945, S. 2), erhielt er bald ein Schreiben des französischen Verteidigungsministeriums, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß bei der Übernahme des Gefängnisses in Fresnes auch ein Bündel von Blättern mit Schach-Aufzeichnungen gefunden worden sei, das seine Unterschrift trage. Le Lionnais gelangte so wieder in den Besitz seines Manuskripts. Es ist heute im Musée de la Déportation in Paris zu finden. Francois Le Lionnais starb 82jährig am 13.3.1984. 30. Wally Henschel Vera Menchik gilt als erste Schach-Weltmeisterin der Damen. 1994 jährte sich der 50. Todestag der bei einem deutschen V2-Raketenangriff auf London am 26.6.1944 ums Leben gekommenen Vera Menchik, weshalb die FIDE das Jahr 1994 zum Jahr der Vera Menchik erklärt hatte. Ihr Resultat bei Damenweltmeisterschaften war beeindruckend. Die einzige Niederlage in sechs WM-Turnieren zwischen 1927 und 1944 mit 83 Partien erlitt Vera Menchik auf der Olympiade in Hamburg im Jahre 1930 gegen Wally Henschel aus Hamburg (Grünberg, R. et al.: Frauen am Schachbrett. Bange Verlag, Hollfeld 1991). Wer war Wally Henschel? Über Wally Henschel wissen wir insofern recht genau Bescheid, als sie und ihre Zwillingsschwester Käthe Gegenstand einer Untersuchung des nationalsozialistischen Wissenschaftlers Otmar von Verschuer wurde, die unter dem Titel: Ein erbgleiches Zwillingspaar mit hervorragender Begabung für Schachspiel veröffentlicht wurde. Die Zwillinge Wally und Käthe Henschel, geb. am 9.9.1895 in Hamburg, begannen mit dem 13. Lebensjahr Schach zu spielen. Der Vater der Zwillingsschwestern soll in seinen jungen Jahren zu den besten Spielern im Hamburger Schachklub gehört haben. Nach Verschuer wog Wally bei der Untersuchung 61,7 kg und war 162,6 cm groß. 1922 traten Käthe und ein Jahr später Wally in den Hamburger Schachklub ein. Zu einem Ausscheidungsturnier für das internationale Schachturnier in Hamburg im Jahre 1930 wurden beide zugelassen, doch letztlich qualifzierte sich Wally im direkten Kampf gegen ihre Zwillingsschwester Käthe. Wally wurde bei der Damenweltmeisterschaft Dritte nach Vera Menchik und Paula Wolf-Kalmar, wobei sie, wie oben bereits erwähnt, die einzige war, die Vera Menchik jemals eine Niederlage in einem WM-Kampf beibringen konnte.
Die Henschel-Zwillinge fielen auch durch ihre musikalische Begabung auf und im kleinen Turnierbüchlein von Hamburg 1930 ist vermerkt, daß Wally den Kongress durch ihren „klangschönen ... Vortrag von Liedern von R. Strauss, E. Grieg und der Arie aus Tosca" erfreute (Chalupetzky, F. und Toth, L. [Hrsg]: Die Schacholympiade von Hamburg. Magyar Sakkvilag, Kecskemet 1931, S. 15). Am 9.9.1995 wird sich der 100. Geburtstag von Wally und Käthe Henschel jähren. Wer weiß, was aus den Zwillingsschwestern Käthe und Wally Henschel wurde? Ist der Verfasser des Büchleins Henschel, Gerhard: Freude am Schach. Bertelsmann, Gütersloh 1959, verwandt mit den Zwillingen? Wir bitten Sie, alle Zuschriften per email zu richten an: Hallo@Ballo.de |