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132. Kreuzschach

Dr. Michael Schlosser und Dr. Rainer Staudte, beide Chemnitz, können zu der in den Schach-Zetteln 62, 100, 109 und 118 diskutierten Studie von Kaminer noch neun (!) weitere Studien mit (nahezu) derselben Schlußwendung mitteilen. Darunter sind auch zwei von Cordes (Der Autor schreibt sich mit C, wobei das K im Buch von Ksparjan von der russischen Transkription stammt). Allerdings kommt es in lediglich drei der neun mitgeteilten Studien zu einem Kreuzschach, weshalb wir sie an dieser Stelle bringen.









Studie Kasparjan
Schachmaty w SSSR, 1934

1.Df7! Le3! 2.De7+ g5 3.Kh2 Lg1+ 4.Kxg1 Dc1+ [4...Dd4+ 5.De3 Dxe3+ 6.Kh2 ]
5.De1+!! Dxe1+ 6.Kh2 Df2 7.Ld6 Df4+ 8.g3+ Dxg3+ 9.Lxg3# 1-0

 

 








Studie Kasparjan
Schachmaty w SSSR, 1934


1.Lh2+ Kh4 2.Txe2! fxe2 3.Lc7 e1D+ 4.Kh2 Df2 5.Ld6 Df4+ 6.g3+ Dxg3+ 7.Lxg3# 1-0










Studie Wotawa
Deutsche Schachzeitung, 1939

1.Le8! axb5 2.Lh5 Dd2 3.Lf7 Dc2 4.Le6! Dc4+ 5.b3+ 1-0


133. Tigran Petrosian

Walter Mooij, Niederlande, und Michael Ehn, Österreich, teilen beide zu SZ 126 mit, daß die von Claus van de Vlierd gesuchte Tabelle in der Nr. 11/12 von Schachmaty w SSSR 1946 zu finden ist. Dabei handelt es sich um einen Bericht des verstorbenen IM Piotr Romanowsky über die drei Halbfinale der sowjetischen Meisterschaften in Moskau, Leningrad und Tiflis. Petrosian ist in der Tabelle von Tiflis tatsächlich als geteilter 16/17. verzeichnet. Leider, so meint Michael Ehn, gibt es weder ein Turnierbuch noch ein Bulletin des in Rede stehenden Turniers in Tiflis. Walter Mooij teilt weiter mit, daß in Schachmaty vier Partiennotationen aufgeführt sind, zwei Partien aus dem Halbfinale in Moskau (Sieger: Alatorzew), eine Partie aus Leningrad (Sieger: Bronstein und Dubinin) und eine Partie aus dem Halbfinale in Tiflis (Sieger: Ufimzew). Es handelt sich bei letzterer um eine Partie zwischen Makagonow und Batuew.

134. Großmutter Tze Hsi

Michael Ehn, Österreich, teilt auch die folgende Stelle aus Pu Yi: Ich war Kaiser von China. Die Autobiographie des letzten chinesischen Kaisers (1906-1967), Carl Hanser, München 1973 mit. Pu Yi berichtet darin über seine grausame Großmutter Tze Hsi, eine ehemalige Konkubine des Kaisers Hsiän Feng, spätere „westliche Kaiserinwitwe", die China mehr als 50 Jahre lang beherrschte. Dort findet sich auf S. 15: „Tatsächlich waren Tze Hsis Wutausbrüche während ihrer zweiten Regentschaft noch unberechenbarer geworden. Jeder kannte die Geschichte des Eunuchen, der im Eifer des Schachspiels ungeschickt genug war auszurufen, ‘der Sklave schlägt dieses Pferd des Erhabenen Stammvaters’ (die Kaiserinwitwe ließ sich gern als Mann anreden). Tze Hsi geriet darüber so in Rage, daß sie ihn augenblicklich hinausschleifen und zu Tode prügeln ließ." Auf S. 41 findet sich die entsprechende Illustration („Tze Hsi und ein Eunuche beim Schachspiel"), das dargestellte Spiel, meint Ehn ist aber seltsamerweise eindeutig Go!

135. Tigran Petrosian Curacao 1962

Claus van de Vlierd verdanken wir die folgenden Ausführungen. Er fragt: Wollte/durfte Efim Geller 1962/63 nicht Schachweltmeister werden?! Das Ansehen Petrosians als Schachweltmeister scheint u.a. immer noch dadurch überschattet zu werden, daß sein Sieg im Kandidatenturnier in Curacao 1962 nicht recht überzeugend ausfiel (1. Petrosjan 17,5, 2.-3. Keres, Geller 17,0 etc.. Es wurde vermutet, daß die Partien zwischen diesen drei Spielern allesamt vorher abgesprochen worden waren. Alle 12 Partien zwischen diesen drei Spielern endeten nämlich mit einem Remis unter 30 Zügen bei einer durchschnittlichen Partienlänge von 19 Zügen. Van de Vlierd fiel bei Durchsicht des Turnierverlaufs insbesondere folgendes auf:

In Runde 24 (von 27) wurde die Partie Geller - Petrosjan in sehr scharfer Stellung nach 18. ... 0-0-0 (Geller hatte kurz rochiert) mit Remis beendet (1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Lf5 4. Ld3 Ld3: 5. Dd3: e6 6. Sf3 Da5+ 7. Sbd2 Da6 8. c4 Se7 9. 0-0 Sd7 10. b3 Sf5 11. Lb2 h5 12. a4 Le7 13. Dc3 g5 14. b4 g4 15. Se1 dc4: 16. Sc4: Sb6 17. Sb6: Db6: 18. Sc2 0-0-0 remis). Dabei lautete der Turnierstand vor dieser Runde:

Petrosian 15,0 (22)
Geller 14,5 (23)
Keres 14,0 (21 plus Hängepartie gegen Fischer mit unklarer Stellung).

Geller hätte folglich mit einem Sieg über Petrosian in dieser Runde gute Chancen auf den Turniersieg erhalten, während das Remis diese Chance praktisch vergab.

Victor Vasiliev "erklärt" in seiner Petrosjan - Biographie "Schisn schachmatista T. Petrosjana" (Erewan 1969) Gellers Remis-Akzeptanz damit, daß Geller nach seiner Niederlage in der vorherigen, 23. Runde gegen Fischer keine Chance mehr gehabt habe, sowohl Petrosian als auch Keres einzuholen. Dies ist jedoch in Anbetracht des Tabellenstandes und der Tatsache, daß noch die Partie gegen Keres anstand (mit Geller als Weißem!) offenkundig falsch ist. Warum verzichtete also Geller mit diesem Remis nach 18. .. 0-0-0 praktisch darauf, das Turnier eventuell zu gewinnen und Herausforderer von Botwinnik zu werden?! Gab es eine Art Gentlemen’s (??) Agreement zwischen den drei Beteiligten (Petrosian, Keres und Geller), alle Partien zu remisieren und fühlte sich Geller auch in dieser Partie, die den Höhepunkt seiner Karriere hätte einleiten können, an dieses zweifelhafte Abkommen gebunden ?!

(Bobby Fischer behauptete später Ähnliches in einem Artikel, der Ende 1962 auch im Spiegel abgedruckt wurde). Oder hoffte Geller, so zumindest den 2. Platz zu erreichen, der damals nach Ansicht vieler Beobachter ebenfalls zu einem WM-Match gereicht hätte (in der Berichterstattung des Schach-Echo zu Curacao 1962 wird angedeutet, daß Botwinnik eventuell auf die Titelverteidigung verzichten wolle)? Flohr schreibt in der Weltgeschichte des Schach, Broschüre WM 1963 Botwinnik-Petrosian, daß er vor dem Wettkampf eine Wette auf "Botwinniks Verzicht" gesetzt und verloren habe?! Im holländischen Bulletin zu Curacao 1962 schreibt Withuis, daß die Partie "Geller-Petrosian, 24. Runde" an Petrosians Geburtstag (17.6.) gespielt worden sei. Man kann aber wohl kaum ernsthaft unterstellen, daß Geller ihm per Remis sozusagen als Geburtstagsgeschenk einen WM-Kampf schenken wollte, den er selbst noch hätte erreichen können?!

Oder aber liegt die Erklärung einfach technisch darin, daß nach 18. .. 0-0-0 Petrosjan schon besser stand?! (diese wäre Claus van de Vlierd als "Petrosian-Fan" die liebste Erklärung). Kortschnoi behauptet in seinem Buch Ein Leben für das Schach, daß die ersten drei Teilnehmer des Turniers ein Remis-Abkommen geschlossen hätten, zu dem es aber offenbar keine genaueren Informationen gäbe?! Die Frage von Claus van de Vlierd lautet also letztlich: Weiß jemand mehr über die Hintergründe und über eventuell geheime Abmachungen zu Curacao 1962, von denen gerüchteweise immer berichtet wird? Auf eine diesbezügliche (wohl etwas naive) schriftliche Anfrage bei GM E. Geller im Januar 1996 hat van de Vlierd keine Antwort erhalten.

136. Erich Wolfsfeld

Thomas Heck, Tübingen, weist auf die außerordentlich gute künstlerische Qualität der Radierung von Erich Wolfsfeld (Schach-Zettel 124 und 129) hin. Bei einer Radierung zeichnet der Künstler mit einer Radiernadel in eine Metallplatte. Säure frißt sich durch die Zeichnung auf die Platte, die dann eingefärbt wird. So können mehrere Originalabzüge derselben Platte erstellt werden. Heck, der die Radierung mit den extremen Maßen 64x82 cm besitzt, hat sich ausführlich mit dem Künstler beschäftigt. Aus der Monografie von Adolph Donath über Erich Wolfsfeld, Berlin 1920, ist zu entnehmen, daß der Künstler sich an Rembrandt und Menzel, Greiner und Klinger schulte. Das Blatt ist in Elizabeth Furness: The Etchings of Erich Wolfsfeld, London 1979 unter der Nummer 51 aufgeführt und ist nicht um 1920, sondern um 1912 zu datieren. Donath nennt dieses „das erste der großen Formate, das seinen Namen weithin trug" (S. 7) und das „erste seiner Kapitalblätter" (S. 8).

Über die abgebildeten Personen spekuliert Donath, der Jüngere sehe aus wie ein Amerikaner. Heck selbst sah einmal ein Inserat, in dem ein Anbieter die beiden Abgebildeten als Emanuel Lasker und Gustav Mahler bezeichnete. Leider, so Heck, gelang eine Kontaktaufnahme nicht, sodaß er den Wahrheitsgehalt dieser Information nicht prüfen konnte.

137. Münchner Neueste Nachrichten

Eine Fundgrube für den Schachhistoriker ist die Rubrik Schachzeitung der Münchner Neuesten Nachrichten, die seinerzeit die auflagenstärkste Tageszeitung des Deutschen Reiches mit einer Morgen- und einer Abendausgabe unter der Woche war. H.-W. Fink, Koblenz, hat deren Jahrgänge 58 (1905) bis 86 (1933) im Rahmen seiner Arbeiten an einem Buch über Rudolf Spielmann durchforstet.

Bis Oktober 1905 wurde die Schachzeitung von Rechtsanwalt Straßl redigiert, dann von E. v. Parish (vgl. SZ 49) übernommen, der in der Folge mehr und mehr in Spielmanns Schatten geriet. Auch nach Spielmanns zeitweiliger Rückkehr in das Zentrum der Donaumonarchie im September 1910, als Oberstleutnant Kürschner die Leitung übernahm, hatte der Wiener maßgeblichen Anteil an der Gestaltung der Sparte. Die Berichterstattung brach bei Ausbruch des Weltkrieges ab - zwischen Ende Juli und Anfang November 1914 ruhte sie gänzlich - und blieb „mangels Masse" bis Mitte 1918 vornehmlich auf Regionales sowie das Problem- und Studienwesen beschränkt. Wann genau die Redaktion von dem damals in München wohnenden Tarrasch übernommen wurde, ist nicht ganz klar, doch muß es um die Jahresmitte 1915 gewesen sein. Auf jeden Fall erscheint ab Mitte September des gleichen Jahres die Schachzeitung fast stets mit dem Zusatz: „Bearbeitet von Dr. Tarrasch".

Ihre große Zeit hatte die Schachzeitung indes in dem Jahrzehnt vor dem Weltkrieg, als Spielmann die Rubrik für namhafte Autoren, denen er offenbar etwas zu verdienen geben wollte, öffnete. Als Kommentatoren konnte er zu jener Zeit S. Alapin, O. Bernstein, E. Cohn, M. Eljaschoff, A. Niemzowitsch, D. Przepiórka, G.A. Rothlewi u.a. gewinnen. Breiten Raum nahm die Berichterstattung über den WM-Kampf Lasker-Tarrasch 1908 ein, dessen Partien der Weltmeister glossierte. Der gute Geist der Schachzeitung war aber Spielmann selbst, und er war auch der Verfasser der meisten Kommentare und Artikel - auch solcher, die nicht namentlich gekennzeichnet sind, wie aus bestimmten Formulierungen und Zusammenhängen hervorgeht. Im übrigen blieb Spielmann der Schachzeitung bis in die frühen dreißiger Jahre als mehr oder minder regelmäßig in Erscheinung tretender Mitarbeiter verbunden.

Im folgenden Zettel bringen wir einen Aufsatz zum Berufsschachmeisterproblem - einer Thematik, der Spielmann zeitlebens sein Interesse in einer Reihe von Artikeln sowie einigen Kapiteln seiner Schrift Ein Rundflug durch die Schachwelt (Leipzig 1919) zuwandte und die angesichts des von Kasparow hervorgerufenen Schismas in der Schachwelt auch heute noch ihre Aktualität bewahrt hat. Bekanntlich plante die von Kasparow zerstörte GMA, eine Art Rentenversicherung für Schachspieler zu begründen.

138. Schachproletariat

„Es ist eine bittere Tatsache, daß der Beruf des Schachmeistes noch immer nicht jene Anerkennung gefunden hat, die ihm von Rechts wegen zukommen sollte, ja daß man heute sogar von einem Schachproletariat sprechen muß. Meister, die ihre ganze Jugendkraft dem Spiel geopfert haben, die das denkbar unruhigste, anstrengendste und aufreibendste Leben geführt haben, sind recht oft in ihrem Alter gezwungen, sich die größten Entbehrungen aufzuerlegen. Daß hier Abhilfe dringend not tut, wurde schon früher erkannt. Im Jahre 1900 wurde in München ein Schachmeisterverband ins Leben gerufen, der zwar heute noch auf dem Papier besteht, von dessen Tätigkeit aber seit der Gründung so gut wie nichts zu bemerken ist, also ein mißglückter Versuch. Sicherlich traf ein erheblicher Teil der Schuld die Vorstandschaft, die zu sehr ihre eigenen Interessen im Auge hatte und zu wenig Arbeitskraft und Selbstlosigkeit der gemeinsamen Sache zuwendete. Wenn ich heute die Anregung gebe, von neuem eine Organisation zu schaffen, so treibt mich dazu die innerste Ueberzeugung, daß unter Führung der geeigneten Persönlichkeit eine Verbesserung des Schachmeisterloses zu ermöglichen wäre. Tausende und Abertausende aus allen Berufskreisen sind heute organisiert und ordnen sich einer einzigen tatkräftigen Führung unter, und warum sollten gerade die Berufsschachmeister, deren Zahl gegenwärtig kaum 40 beträgt, nicht imstande sein, ihre eigenen Interessen dem Gesamtwohl nachzustellen? Wäre es nicht möglich, den Schachmeistern, die sich in ihrem Beruf erschöpfen, den noch mangelnden Korpsgeist zu schaffen, ihre Ziellosigkeit durch ein Streben nach einem festen Ziele zu ersetzen?

Um solche Reorganisationspläne in Anregung zu bringen, muß man sich zunächst die Frage beantworten, ob eine Änderung der bisherigen Lage auch allgemein als notwendig erachtet wird. Leider finden sich noch immer Gegner - allerdings in kleinerer Zahl als früher -, die der althergebrachten Anschauung sind, daß das Schachspiel als Beruf keine Existenzberechtigung habe, daß es sogar schädlich wäre, durch Verbesserung das Gros der Schachmeister zu vermehren. „Wir wollen keine Schachathleten züchten" hat vor wenigen Jahren eine der angesehensten Fachzeitungen erklärt. Dieser Standpunkt kann wohl jetzt als überwunden angesehen werden. Keinem Rennfahrer, keinem Preisboxer kann es verdacht werden, wenn er seine soziale Lage verbessern will. Es gibt für ihn eine Organisation, die seinen Ansprüchen Schutz gewährt. Der Schachmeister aber, der zwar ein weniger zahlreiches Publikum hat, diesem aber dafür umso wertvollere Anregung und geistigen Gewinn bietet, er sollte seine Existenzberechtigung weniger vertreten dürfen und wollen? Jede Kunstgattung, jedes Gewerbe, alle Wissenschaften, kurz jeder Zweig der menschlichen Erwerbstätigkeit ist organisiert, nur der Berufsschachspieler nicht, und gerade ihm täte ein zielbewußtes agitatorisches Wirken am meisten not. Einer tatkräftigen Organisation müßte es z.B. gelungen sein, bei dem Komitee des kürzlich verunglückten New-York-Havanna-Turniers durchzusetzen, daß die beteiligten Meister für den ihnen verursachten Verlust schadlos gehalten werden. So lange aber die Schachmeister schutz- und führerlos sind und von zwiespältigen Interessen geleitet werden, so lange werden sie der Willkür gewissenloser und leichtsinniger Arrangeure ausgesetzt sein.

Die erste und vornehmste Aufgabe einer Schachmeistervereinigung würde darin bestehen, den alternden, berufsunfähig gewordenen Schachmeistern eine, wenn auch bescheidene Rente zu sichern und dadurch die mit Recht mißachtete „Schachschnorrerei" aus der Welt zu schaffen. Hierzu müßte ein Fonds ins Leben gerufen werden, und da sollten es in erster Linie die Schachmeister selbst sein, die im eigenen Interesse Beiträge zu ihm leisten müßten, Beiträge, die in einem prozentualen Vrehältnis zu den gewonnenen Preisen und ihren eventuellen sonstigen Schacheinnahmen stehen könnten. Ich denke, daß analog den Pensionsbestimmungen für die Sänger, Schauspieler, Artisten etc. 3-5 % genügen würden, und das ist wahrlich nicht zu viel verlangt. Selbstverständlich würden dann auch höhere Einzahlungen einen Anspruch auf eine höhere Rente begründen. Einer zielbewußten Organisation würde es wohl auch gelingen, jene Gönner für einen derartigen Fonds zu interessieren, die bisher nur Einzelunterstützungen an mittellose Schachmeister verabfolgt haben. Es ist anzunehmen, daß vermögende Schachfreunde Zuwendungen lieber und wohl auch ausgiebiger einem allgemeinen humanitären Schachzweck widmen würden, als vorübergehende, ganz zwecklose Almosen zu gewähren, die von den Gebern in den meisten Fällen nur als eine Belästigung, von den Empfängern als eine Beschämung empfunden werden. Ein Zustand, der das Ansehen und die Standesehre der Schachmeister auf das empfindlichste schädigt. Der Beruf des Schachmeisters hat hinsichtlich gesicherter Lebensführung mit den fortschreitenden Jahren nicht Schritt gehalten. Noch heute wären derart traurige und für die gesamte Schachwelt blamable Fälle möglich, wie das Ende von La Bourdonnais, Zuckertort, Dufresne, Steinitz und anderen, die ihre hervorragenden Geisteskräfte ihrem Beruf geopfert haben, ohne daß ihnen dieser Halt und Schutz in ihren alten Tagen gewähren konnte.

Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, die sich einer solchen Vereinigung entgegenstellen würden. Man wird mir vorhalten, daß auch unsere Zeit für einen Umschwung im Schachmeisterberuf noch nicht reif genug ist. Leider ist diese Anschauung nicht ganz unberechtigt. In den Reihen der Schachmeister finden noch zu viele Kleinkriege statt, die natürlich die Kräfte für einen gemeinsamen Kampf zersplittern. Die Schachmeister bekämpfen sich nicht nur in ihren Turnierpartien, sondern setzen die Feindseligkeiten auch sonst im Leben fort. Sie sind zum Teil nicht imstande, den Kampf auf den 64 Feldern von dem Lebenskampfe zu trennen. Psychologisch ist das bei ihrem eigenartigen Berufe leicht erklärlich, und das Amt eines Vorstandes der Schachmeistervereinigung wäre daher mit manchen Unannehmlichkeiten verbunden und würde eine unermüdliche Arbeitskraft, gepaart mit Energie und Uneigennützigkeit, erfordern. Hoffentlich finden sich aber trotzdem Persönlichkeiten, die vor der Uebernahme solch schweren Amtes nicht zurückschrecken. Wenn die angeregte Umgestaltung einmal Platz greifen wird - und schließlich muß es dazu kommen -, dann wird auch die irrige Meinung, die die Gesellschaft noch teilweise von dem „Berufsschächer" hat, schwinden und es werden bessere Tage für ihn anbrechen."

Soweit der Aufsatz Spielmanns aus den Münchner Neuesten Nachrichten.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf das Buch von Michael Ehn (Hrsg.): Rudolf Spielmann. Portrait eines Schachmeisters in Texten und Partien, Koblenz: Verlag H.-W. Fink (Trierer Straße 73, 56072 Koblenz), 1996, in welchem der hier wiedergegebene Text nicht enthalten ist.

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